Volkswirt Johannes Mayr
In Deutschland gibt es kein Wirtschaftswunder
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
Das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre wiederholt sich trotz des grünen Investment-Booms nicht, ist Johannes Mayr von der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz überzeugt. Hier sagt der Volkswirt, wie sich die Konjunktur in Deutschland derzeit entwickelt.
Die sich abzeichnenden geopolitischen Verschiebungen sowie die Transformation der Wirtschaft zur Begrenzung des Klimawandels verschärfen das Phänomen einer säkularen Stagnation perspektivisch. Auch hier ist Deutschlands Geschäftsmodell besonders exponiert. Die bisherige Wertschöpfungskette – der Import von günstiger fossiler Energie und Rohstoffen für die Erstellung und Veredelung spezialisierter und hochqualitativer industrieller Konsum- und Investitionsgüter und deren Export in die Wachstumsmärkte Asiens – kommt von beiden Seiten unter erheblichen Druck. Bereits in den vergangenen Jahren haben Industrie und Außenhandel kaum mehr zum deutschen Wirtschaftswachstum beigetragen oder haben es sogar...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die sich abzeichnenden geopolitischen Verschiebungen sowie die Transformation der Wirtschaft zur Begrenzung des Klimawandels verschärfen das Phänomen einer säkularen Stagnation perspektivisch. Auch hier ist Deutschlands Geschäftsmodell besonders exponiert. Die bisherige Wertschöpfungskette – der Import von günstiger fossiler Energie und Rohstoffen für die Erstellung und Veredelung spezialisierter und hochqualitativer industrieller Konsum- und Investitionsgüter und deren Export in die Wachstumsmärkte Asiens – kommt von beiden Seiten unter erheblichen Druck. Bereits in den vergangenen Jahren haben Industrie und Außenhandel kaum mehr zum deutschen Wirtschaftswachstum beigetragen oder haben es sogar gebremst.
Die säkulare Stagnation verfestigt sich
Deutschland setzt vor diesem Hintergrund zunehmend auf einen Wachstumsschub, der durch Investitionen und Innovationsimpulse im Zuge der Energiewende und der Dekarbonisierung der Wirtschaft entstehen soll. Die Hoffnungen sind nachvollziehbar, gleichwohl aber überzogen.
Denn grundsätzlich implizieren die Weichenstellungen zur Klimaneutralität bis 2045 die Internalisierung erheblicher, bisher externer Kosten des deutschen Geschäftsmodells. Dadurch verteuert sich die Produktion und die Angebotsbedingungen verschlechtern sich.
Ein grüner Investitions-Boom scheint in Deutschland allenfalls für eine Übergangszeit realistisch. Die Analyse der längerfristigen Wachstumstreiber wie der Transformationsprozesse lässt vielmehr erwarten, dass sich die säkulare Stagnation der Wirtschaft insgesamt fortsetzen und verfestigen wird. Zwar werden etwa die Märkte für Klima- und Umwelttechnik und Energieerzeugung sowie die Abfallwirtschaft weltweit stark wachsen. Deutsche Unternehmen sind hier im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Andere Bereiche der Wirtschaft werden aber schrumpfen.
Das hat für Investoren erhebliche Konsequenzen. In einem solchen Szenario bleiben die Realzinsen strukturell niedrig und die konjunkturellen Schwankungen verlieren weiter an Kraft. Investitionen in die Gesamtwirtschaft wie auch den Zyklus weisen dann ein weniger attraktives Rendite-Risiko-Profil auf.
Gleichzeitig erhöht sich die Attraktivität von Wirtschaftsbereichen, die von den Transformationsprozessen und veränderten strukturellen Rahmenbedingungen weniger betroffen sind oder sogar profitieren. Dazu gehören säkulare Wachstumstrends mit geringer Ressourcenintensität, die unter anderem in den Bereichen Digitalisierung und Erneuerbare Energien sowie Bildung, Gesundheit und Pharma zu finden sind.
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