DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier
Auf dem Weg in die Transferunion
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research und Volkswirtschaft der DZ Bank Foto: DZ Bank
Die neue italienische Regierung bedeutet einen Rückschlag für das liberale Europa. Parallelen zur Anfangszeit der Tsipras-Administration in Griechenland sind erkennbar. Aber die große Verhandlungsmacht Roms birgt Risiken für ganz Europa. Denn der Kompromiss zwischen Brüssel und Rom könnte den Weg in die Transferunion ebnen – mit wirtschaftlichen und politischen Gefahren für die EWU.
Die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega verspricht nicht weniger als den radikalen Wandel. Was für die einen nach Verheißung klingt, sorgt andernorts für Sorgenfalten. Der Dissens über die richtigen Lösungsansätze der bestehenden Probleme, aber auch die Zielrichtung der Währungsgemeinschaft könnten kaum größer sein. Auf der einen Seite das eher (ordo-)liberal ausgerichtete Europa, für das vor allem Deutschland, aber auch das Baltikum und die Niederlande stehen. Diese Länder haben stets Strukturreformen in Verbindung mit fiskalischer Austerität beschworen und sehen sich durch die wirtschaftlichen Erfolge in Irland, Spanien und auch in Deutschland zu Beginn der 2000er-Jahre bestätigt.
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Die Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega verspricht nicht weniger als den radikalen Wandel. Was für die einen nach Verheißung klingt, sorgt andernorts für Sorgenfalten. Der Dissens über die richtigen Lösungsansätze der bestehenden Probleme, aber auch die Zielrichtung der Währungsgemeinschaft könnten kaum größer sein. Auf der einen Seite das eher (ordo-)liberal ausgerichtete Europa, für das vor allem Deutschland, aber auch das Baltikum und die Niederlande stehen. Diese Länder haben stets Strukturreformen in Verbindung mit fiskalischer Austerität beschworen und sehen sich durch die wirtschaftlichen Erfolge in Irland, Spanien und auch in Deutschland zu Beginn der 2000er-Jahre bestätigt.
Auf der anderen Seite fordert vor allem das linke politische Spektrum in den Südländern eine staatlich gestützte Investitions- und Konjunkturpolitik und macht auch vor dem Mandat der EZB nicht Halt. Die 2015 ins Amt gekommene Regierung Griechenlands war die erste, die den Versuch unternahm, sich gegen Brüssel, Berlin und Paris aufzulehnen und zudem eine Entschuldung forderte – ohne Erfolg. Griechenland befand sich in der deutlich schwächeren Position, um ein ernstzunehmendes politisches Gegengewicht zu bilden. Die anderen EU-Staaten konnten glaubhaft vertreten, dass die Prinzipien der Eurozone Vorrang vor einer Mitgliedschaft Griechenlands hatten und die Gemeinschaft letztlich wohl auch nicht an einem Grexit zerbrochen wäre.
Die Forderungen der neuen italienischen Regierung weisen einige Parallelen zur frühen Tsipras-Administration in Griechenland auf. M5S und Lega wollen soziale Einschnitte zurücknehmen, Bürger und Unternehmen steuerlich entlasten und vor allem über mehr Schulden die Wirtschaft in Gang bringen. Das finanzielle Gesamtvolumen der Vorhaben in Höhe von etwa 100 Mrd. Euro pro Jahr, das das Budgetdefizit Italiens auf 5% des BIP oder höher katapultieren würde, stellt aber sogar frühere Syriza-Forderungen bei weitem in den Schatten.
Weltfremde Pläne mit Gefahrenpotenzial
Vielen Politikern anderer EWU-Staaten sowie Investoren scheinen die Steuerpläne Italiens weltfremd. Der Gedanke, dass ein privater Haushalt mit 100.000 Euro Jahreseinkommen, dessen Steuerlast um mehr als 40% gesenkt wird, seinen Konsum in etwa gleicher Größenordnung erhöht, ist nahezu absurd. Die ohnehin „sparsamen“ Italiener dürften noch viel mehr Geld zur Seite legen und im ungünstigsten Fall sogar zu Hause horten. Der Traum eines sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufschwungs bleibt ein Luftschloss. Der starke Rückenwind bei der Anhängerschaft von M5S und Lega spornt die Regierung aber regelrecht an, den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Die Regierungspläne haben die Märkte bereits in helle Aufregung versetzt. Die Renditen italienischer Staatsanleihen, aber auch die anderer Peripherie-Staaten, sind in den vergangenen Wochen sprunghaft angestiegen. Die Nachfrage bei der Auktion von Staatsanleihen fiel zuletzt verdächtig stark. Verschärft sich die Krise an den Märkten weiter, beispielsweise wenn eine Herabstufung des Italien-Ratings erfolgt, droht sich die Spirale steigender Risikoprämien immer weiter zu drehen. Am Ende gerät Italien womöglich sogar in einen Liquiditätsengpass, der die Zahlungsfähigkeit des Landes infrage stellen würde.
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