Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Italiens Nummer 68 startet mit Rückenwind
Aktualisiert am 10.03.2020 - 16:51 Uhr
Hat Wirtschaft und Finanzen immer im Auge: Der neue alte italienische Premierminister Giuseppe Conte.
Seit Anfang September hat Italien eine neue Regierung. Es ist die 68. seit Ende des Zweiten Weltkriegs, und ihre Ausgangslage ist gar nicht so schlecht, findet Bantleons Wirtschafts-Senioranalyst Jörg Angelé in einem Gastbeitrag.
So kann sich die Regierung darauf einstellen, in den nächsten Jahren jährlich rund 5 Milliarden Euro an Zinszahlungen für die Staatsschulden in Höhe von gut 2.000 Milliarden Euro weniger berappen zu müssen. Das entspricht immerhin einer jährlichen Entlastung von 0,3 Prozent des BIP. Da der italienische Staat seit Jahren einen Primärüberschuss erzielt, sprich die Einnahmen die Ausgaben unter Ausklammerung der Zinszahlungen übersteigen, ergibt sich Spielraum, den Staatshaushalt zu konsolidieren und gleichzeitig die Fiskalpolitik weiter expansiv zu gestalten. Vor diesem Hintergrund hat die neue Regierung bereits die ursprünglich für 2020 geplante Mehrwertsteueranhebung zur Reduktion des Haushaltsdefizits...
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Vor diesem Hintergrund hat die neue Regierung bereits die ursprünglich für 2020 geplante Mehrwertsteueranhebung zur Reduktion des Haushaltsdefizits abgesagt. Das äußerst günstige Zinsumfeld dürfte zudem helfen, die Bilanzen italienischer Banken weiter zu verbessern.
Die strukturellen Probleme der italienischen Wirtschaft sind dagegen unverändert groß. So liegt die Wirtschaftsleistung noch immer 4 Prozent unter dem Niveau von vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise im Jahr 2008. In der übrigen Eurozone wuchs das BIP seither um über 11 Prozent (Abbildung 2). Ein Grund für diese Underperformance ist sicher der jahrelange Produktivitätsstillstand in Italien. Seit dem Jahr 2001 stagniert dort die Arbeitsproduktivität, während sie in der Eurozone um über 15 Prozent zugelegt hat.
Wir sind allerdings skeptisch, ob Giuseppe Conte willens ist, Strukturreformen anzupacken. Es ist zu befürchten, dass lediglich die Entlastung bei den Zinsausgaben verfrühstückt wird. So dürfte die Konjunktur zwar in den nächsten Quartalen vom fiskalischen Rückenwind, den günstigeren Finanzierungskonditionen für Banken und einer sich belebenden Weltwirtschaft profitieren. Auf einen nachhaltig höheren Wachstumspfad dürfte die italienische Wirtschaft allerdings nicht einschwenken.
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