Thorsten Polleit
Warum die Soziale Marktwirtschaft eine Utopie ist
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:50 Uhr
Thorsten Polleit ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und Chefökonom von Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Niemand hat das Recht, einem anderen sein Eigentum wegzunehmen, findet Thorsten Polleit. Er fordert: Jeder Mensch muss das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden, wenn er es wünscht – insbesondere vom Staat.
Der Staat (wie wir ihn heute kennen) hat unzweifelhaft seine Wurzeln in der Aggression gegen das Eigentum, in der gewaltsamen Unterwerfung der einen durch die anderen. Weil man das vielleicht nicht so recht glauben möchte, soll eine unverdächtige Stimme angeführt werden, und zwar die des Ökonomen Franz Oppenheimer (1864 – 1943), dem Doktorvater von Ludwig Erhards – den Erhard sehr verehrt hat.18
Oppenheimer schreibt: Der Staat „ist seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach ... eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Der Staat (wie wir ihn heute kennen) hat unzweifelhaft seine Wurzeln in der Aggression gegen das Eigentum, in der gewaltsamen Unterwerfung der einen durch die anderen. Weil man das vielleicht nicht so recht glauben möchte, soll eine unverdächtige Stimme angeführt werden, und zwar die des Ökonomen Franz Oppenheimer (1864 – 1943), dem Doktorvater von Ludwig Erhards – den Erhard sehr verehrt hat.18
Oppenheimer schreibt: Der Staat „ist seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach ... eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger.“19
Wer nach Oppenheims Ausführungen immer noch Zweifel hat, dass der Staat „rechtmäßig“ zustande gekommen ist, sollte doch einmal die Probe auf Exempel machen: Nehmen Sie sich die Freiheit und zahlen Sie Ihre Steuer nicht – und schauen Sie, was passiert. Wenn man einsieht, dass der Staat nicht auf natürlichem Wege zustande gekommen ist und sein kann, dann hilft uns das zu verstehen, warum eine Interventions-Spirale in Gang kommt und an Fahrt gewinnt.
Der Staat weitet sich immer weiter aus
Es ist eine empirisch gut abgesicherte Beobachtung, dass der Staat im Zeitablauf immer größer und mächtiger wird – und das natürlich notwendigerweise zu Lasten der Bürger- und Unternehmerfreiheiten. Das ist kein Zufall, sondern es hat System. Hans Hermann Hoppe formuliert das prägnant wie folgt: Selbst aus einem Minimalstaat wird früher oder später ein Maximalstaat.20
Wie aber kann das sein? Wenn der Staat auf Aggression aufgebaut ist, die Menschen besteuert und gängelt, wieso gibt es gegen einen solchen Staat keinen Widerstand? Wie kann es sein, dass der Staat mit solch einem Gebaren davonkommt, und sogar immer größer werden kann?
Würde der Staat nur auf Aggression setzen, käme er in der Tat nicht sehr weit. Kein Staat, kein Diktator kann sich dauerhaft an der Macht halten, wenn er nicht von einem hinreichend großen Bevölkerung steil Akzeptanz und Unterstützung erfährt. Woher aber rühren diese Akzeptanz und Unterstützung? Sie speisen sich aus drei Quellen.21
Erstens: Der Staat verbreitet seine „Sicht der Dinge“, sein „Narrativ“, besser: seine Ideologie, dass es nämlich ohne ihn nicht geht, dass ohne ihn die Gemeinschaft in Chaos versinkt. Denn wer sorgt, wenn nicht er, der Staat, für Straßen, Schulen, Sicherheit, Rechtsprechung, Gerechtigkeit, Geld und Umweltschutz? Zur Verbreitung seiner selbst glorifizierenden Ideologie beherrscht er das Bildungswesen und setzt auf die Kooperation mit den Intellektuellen (wie zum Beispiel Lehrer, Hochschullehrer, Schriftsteller, Schauspieler, Musiker und Künstler), die er bezahlt und/oder protegiert, und die die öffentliche Meinung für den Staat einnehmen.
Das funktioniert sehr gut: Heutzutage glauben vermutlich die meisten Menschen, dass der Staat (so wie wir ihn heute kennen) unverzichtbar ist – und das mindert ihren Widerstand gegen den Staat.
18 Siehe hierzu Mierzejewski, A. C. (2004), Ludwig Erhard. Der Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft, Siedler, München, S. 23 – 28.
19 Oppenheimer, F. (1907), Der Staat, 3. Aufl., Literarische Anstalt, Rütten & Loening, Frankfurt a. M., S. 8 – 9.
20 Hoppe, H.-H. (2006), Democracy – The Gold That Failed. The Economics and Politics of Monarchy, Democracy, and Natural Order, Transaction Publishers, New Brunswick (U.S.A.) und London (U.K.), S. 221 – 238, hier insb. S. 229.
21 Siehe hierzu auch Hoppe, H.-H. (2010), A Theory Of Socialism and Capitalism, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Chapter 8: The Sociopsychological Foundations of Socialism or The Theory of The State, S.173 ff.
Über den Autor