Thorsten Polleit
Warum die Soziale Marktwirtschaft eine Utopie ist
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:50 Uhr
Thorsten Polleit ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und Chefökonom von Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Niemand hat das Recht, einem anderen sein Eigentum wegzunehmen, findet Thorsten Polleit. Er fordert: Jeder Mensch muss das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden, wenn er es wünscht – insbesondere vom Staat.
Was man über den Staat wissen muss
Eine Antwort könnte sein: Die Menschen werden aus Erfahrung nicht klug. Sie begreifen nicht, dass der Interventionismus nicht durchführbar ist. Sie lernen nicht aus ihren Misserfolgen.
Mises selbst führt den bilden Eifer der Interventionisten als Erklärung an: Scheitert die Intervention, bekommen die Interventionisten nicht etwa Selbstzweifel.
Sie sagen vielmehr, dass man nicht beherzt genug vorgegangen sei. Man müsse nur „besser“ und “aggressiver” intervenieren – und dann werde man das gewünschte Ziel schon erreichen.15
Den Menschen Lernfähigkeit abzusprechen, liefert allerdings keine wirklich überzeugende Erklärung....
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Was man über den Staat wissen muss
Eine Antwort könnte sein: Die Menschen werden aus Erfahrung nicht klug. Sie begreifen nicht, dass der Interventionismus nicht durchführbar ist. Sie lernen nicht aus ihren Misserfolgen.
Mises selbst führt den bilden Eifer der Interventionisten als Erklärung an: Scheitert die Intervention, bekommen die Interventionisten nicht etwa Selbstzweifel.
Sie sagen vielmehr, dass man nicht beherzt genug vorgegangen sei. Man müsse nur „besser“ und “aggressiver” intervenieren – und dann werde man das gewünschte Ziel schon erreichen.15
Den Menschen Lernfähigkeit abzusprechen, liefert allerdings keine wirklich überzeugende Erklärung. Aus ökonomischer Sicht liegt vielmehr eine andere Antwort nahe, die aus dem Nachdenken über Herkunft und Wesen des Staates erwächst. Ein solches Nachdenken kommt bei den Ordoliberalen und den Sozialen Markt Wirtschaftlern leider zu kurz, beziehungsweise es nimmt einen missverständlichen Weg.16
Für die Ordoliberalen ist der Staat nun einmal da, er ist für sie eine gesetzte Größe. Diese Haltung ist jedoch (für eine kritische nachfragende Vernunft) unbefriedigend. Fragen wir also: Was ist der Staat (wie wir ihn heute kennen), was macht ihn aus, und wie ist er entstanden?
Der Staat ist – um eine positive Definition zu geben – der territoriale Monopolist, der die Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte hat, die zwischen seinen Untergebenen auftreten, und auch über alle Konflikte, die zwischen ihm und seinen Untergebenen entstehen.17
Zudem hat der Staat die Macht der Besteuerung. Er darf etwas, was kein anderer darf: Jemanden gegen seinen Willen etwas wegnehmen (und der, dem etwas weggenommen wird, hat keinerlei Anspruch auf eine individuelle Gegenleistung). Es bedarf nicht allzu tiefgründiger Überlegungen, um zu erkennen, dass solch ein Staat nicht auf natürlichem Wege, also durch freiwillige vertragliche Vereinbarungen zwischen Menschen zustande gekommen sein kann.
Niemand, der bei Verstand ist, würde freiwillig unterschreiben, dass er fortan für immer und ewig sich, sein Leben und sein Eigentum einem Monopolisten unterwirft; einem Monopolisten, der die Macht hat, Preis und Leistungsumfang seiner Dienste selbst zu bestimmen.
So etwas wäre auch mit dem Selbstbestimmungsrecht, das jedem Menschen unveräußerlich (und logisch unbestreitbar) zukommt, unvereinbar: Unter einem solchen Vertrag hat er schlichtweg kein Selbstbestimmungsrecht mehr – all sein Tun und Handeln hinge von der Zustimmung des Staates ab.
15 So etwa Mises, L. v. (2013), Kritik des Interventionismus, S. 41.
16 Euckens Aufsatz „Staatliche Strukturwandlungen und die Krise des Kapitalismus“ (1932) ist eine zentrale Grundlagenschrift für das ordoliberale Denken.
17 Siehe hierzu Rothbard, M. N. (2009), Anatomy of the State, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama.
Über den Autor