Finanzexperte Marshall Stocker
Demokratie und Geldanlage
Aktualisiert am 04.06.2021 - 14:31 Uhr
Marshall Stocker ist Portfoliomanager bei der Investmentgesellschaft Eaton Vance. Foto: Eaton Vance
Je besser die Demokratie, desto höher die Renditen, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Tatsächlich hat sich der Einfluss des Systems auf Wirtschaftspolitik und Investitionsbedingungen verändert. Das zeigt Marshall Stocker von der Investmentgesellschaft Eaton Vance in einer Länderanalyse.
Risikoaufschläge und Ratings von Staatsanleihen lassen sich durch die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes erklären. Wirtschaftliche Freiheit ist der wichtigste Einflussfaktor für die Kreditqualität von Staatsanleihen und deren Risikoaufschläge. Länder mit einer liberaleren Wirtschaftspolitik profitieren von niedrigeren Finanzierungskosten und höheren Ratings. Die Konsequenz für Anleger ist eindeutig: Liberalisiert ein Land seine Wirtschaftspolitik während des Anlagezeitraums, können Anleger höhere Rrenditen gegebenenfalls durch sinkende Risikoaufschläge erzielen.
Diese empirisch nachgewiesene Beziehung zwischen Wirtschaftspolitik und Vermögenspreisen wirft eine für Anleger wichtige...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Risikoaufschläge und Ratings von Staatsanleihen lassen sich durch die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes erklären. Wirtschaftliche Freiheit ist der wichtigste Einflussfaktor für die Kreditqualität von Staatsanleihen und deren Risikoaufschläge. Länder mit einer liberaleren Wirtschaftspolitik profitieren von niedrigeren Finanzierungskosten und höheren Ratings. Die Konsequenz für Anleger ist eindeutig: Liberalisiert ein Land seine Wirtschaftspolitik während des Anlagezeitraums, können Anleger höhere Rrenditen gegebenenfalls durch sinkende Risikoaufschläge erzielen.
Diese empirisch nachgewiesene Beziehung zwischen Wirtschaftspolitik und Vermögenspreisen wirft eine für Anleger wichtige Frage auf: Welche Faktoren beeinflussen die Wirtschaftspolitik? Die politischen Institutionen eines Landes lassen Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit einer (De-)Liberalisierung der Wirtschaftspolitik zu.
In restriktiveren Ländern fördert die Demokratie eine Liberalisierung der Wirtschaftspolitik, in demokratischen und weitgehend liberalen Ländern beobachten wir dagegen häufiger einen Rückgang der wirtschaftlichen Freiheit. Wer die Einflussfaktoren für politische Entscheidungen und ihre Richtung erkennen kann, kann daher auch besser Anlagen mit höheren Renditen finden.
Nachfolgend gehen wir auf die Rolle der Demokratie sowohl in liberalen als auch in restriktiven Ländern ein und erläutern, wie sich diese Rolle im Laufe der Jahre verändert hat. Die Frage, welche Faktoren wirtschaftliche Freiheit begünstigen und behindern, ist faszinierend. Die Abbildungen A, B und C stellen den Grad wirtschaftlicher Freiheit einzelner Länder grafisch dar. Die Grafiken beruhen auf Daten des Economic Freedom of the World (EFW) Index des Fraser Institute, welches wirtschaftliche Freiheit auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet, wobei 10 der höchsten Punktzahl entspricht.
Abbildung A: Auch die liberalsten Länder sind noch von einer idealen Wirtschaftspolitik entfernt
Wie in Abbildung A zu erkennen ist, stagnieren die Zugewinne an wirtschaftlicher Freiheit ab einem bestimmten Punkt, der deutlich unter dieser Höchstpunktzahl liegt. Beispiel Hongkong und Singapur: Die beiden wirtschaftlich liberalsten Länder der Welt kamen in den vergangenen zehn Jahren praktisch unverändert auf einen Wert zwischen 8,5 und 9,1. Warum ist der Idealwert (10) allem Anschein nach unerreichbar?
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