Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Diesen Schaden richtet der Euro an
Aktualisiert am 26.01.2022 - 13:19 Uhr
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Der Euro gefährdet die gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit, ist Thorsten Polleit überzeugt. Hier erklärt der Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, warum das so ist.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Volkswirtschaften einem solchen Szenario zu entkommen suchen, mit allen Mitteln, und so lange es eben geht. Das jedoch erfordert, dass der Kredit- und Geldmengenzufluss in Gang bleibt, nicht ins Stocken gerät, dass keinesfalls die Kredit- und Geldmengen abnehmen. Das mag auch das massive Eingreifen der Zentralbanken in der Krise 2008/2009 und Anfang 2020 erklären: Mit Niedrigzinsen und direkten Geldspritzen sollte die Kreditkrise, der Zusammenbruch des ungedeckten Geldsystems abgewendet werden. Dazu ist mittlerweile aber nicht mehr nur ein einmaliger „Notfalleinsatz“ der Zentralbanken erforderlich, sondern vielmehr dauerhafte, kaum mehr umkehrbare...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Volkswirtschaften einem solchen Szenario zu entkommen suchen, mit allen Mitteln, und so lange es eben geht. Das jedoch erfordert, dass der Kredit- und Geldmengenzufluss in Gang bleibt, nicht ins Stocken gerät, dass keinesfalls die Kredit- und Geldmengen abnehmen. Das mag auch das massive Eingreifen der Zentralbanken in der Krise 2008/2009 und Anfang 2020 erklären: Mit Niedrigzinsen und direkten Geldspritzen sollte die Kreditkrise, der Zusammenbruch des ungedeckten Geldsystems abgewendet werden. Dazu ist mittlerweile aber nicht mehr nur ein einmaliger „Notfalleinsatz“ der Zentralbanken erforderlich, sondern vielmehr dauerhafte, kaum mehr umkehrbare Unterstützungsprogramme.
Die fortgesetzte Niedrigzinspolitik der EZB bringt nun allerdings die Banken auch in Bedrängnis: Die Zinsmargen stehen unter Druck, sie schrumpfen, und auch das Abflachen der Zinskurve (also der schwindende Abstand zwischen Lang- und Kurzfristzins) belastet die Gewinnlage der Kreditinstitute. In die gleiche Richtung wirken die steigenden Kosten der Regulierung und der Reglementierung des Bankgeschäftsbetriebs. Unter diesen Bedingungen erweist sich das Bankgeschäft im Euroraum als wenig attraktiv - wie nicht zuletzt die Börsenbewertungen der Aktien von Euro-Banken unmissverständlich nahelegen. Private Investoren werden es sich da gut überlegen, ob sie den Euro-Banken Eigenkapital zuführen.
Die Eigenkapitalverzinsung der Euro-Geschäftsbanken ist gering. Sie dürfte bei etwa 6 Prozent liegen, während die Kapitalkosten der Banken auf 8 bis 10 Prozent geschätzt werden. Für Banken gilt, was für jedes andere Unternehmen auch gilt: Wer die Kapitalkosten nicht verdient, der schafft keinen ökonomischen Wert. Entweder er verbessert sich, oder er scheidet besser aus dem Markt aus, so dass die Ressourcen in eine vorteilhaftere Verwendung gelenkt werden können.
Doch - wie bereits gesagt - beim ungedeckten Geldsystem ist der Marktaustritt von Banken nicht so ohne weiteres möglich, ohne dass es zu großen wirtschaftlichen Erschütterungen kommt, ohne dass der inflationäre Kredit- und Geldmengenzufluss abreißt und die Produktions- und Beschäftigungsstruktur zum Einsturz bringt.
Die Übergröße der Euro-Banken nimmt die Volkswirtschaften gewissermaßen in „Geiselhaft“, und daraus erwächst ein konkretes (Droh-)Szenario: Vor dem Hintergrund eines nachlassenden Wachstumspfades im Euroraum und einer sich damit tendenziell abschwächenden Kreditnachfrage aus der Privatwirtschaft wäre auch mit einem Nachlassen der Geldmengenausweitung zu rechnen - etwas, das sich nur verhindern lässt, wenn die Euro-Staaten (1) verstärkt neue Kredite bei Banken und/oder der EZB aufnehmen, und/oder wenn (2) die EZB „Helikoptergeld“ ausgibt, das heißt, wenn die Zentralbank (auf Weisung der Staaten) die Bankkonten der Bürger und Unternehmen mit neuem Geld befüllt, um die gewünschte Geldmengenausweitung und Güterpreisinflation zu erzeugen.
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