Volkswirt Jörg Angelé
Europa steht eine Durststrecke bevor
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Experten gehen inzwischen davon aus, dass Europa nicht in eine Rezession rutscht. Die Inversion der Zinsstrukturkurve und das rückläufige reale Geldmengenwachstum deuten jedoch auf eine längere Durststrecke hin.
Im aktuellen Zyklus wurde die Zinskurve erstmals im November 2022 invers. Gemessen am durchschnittlichen Vorlauf signalisiert sie damit für den Jahreswechsel 2023/2024 eine Rezession in Deutschland. Nachdem die Inversion zwischenzeitlich ein 30-Jahres-Hoch von 74 Basispunkten erreicht hatte, liegt sie aktuell trotz des jüngsten Renditerückgangs immer noch bei 31 Basispunkten.
Geldmenge schürt Zweifel
Ein weiterer Indikator, der Zweifel an einem bevorstehenden Aufschwung nährt, ist die reale Geldmenge M1, die neben Bargeld auch täglich verfügbare Sichteinlagen umfasst und mit dem Verbraucherpreisindex deflationiert wird. Im Gegensatz...
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Im aktuellen Zyklus wurde die Zinskurve erstmals im November 2022 invers. Gemessen am durchschnittlichen Vorlauf signalisiert sie damit für den Jahreswechsel 2023/2024 eine Rezession in Deutschland. Nachdem die Inversion zwischenzeitlich ein 30-Jahres-Hoch von 74 Basispunkten erreicht hatte, liegt sie aktuell trotz des jüngsten Renditerückgangs immer noch bei 31 Basispunkten.
Geldmenge schürt Zweifel
Ein weiterer Indikator, der Zweifel an einem bevorstehenden Aufschwung nährt, ist die reale Geldmenge M1, die neben Bargeld auch täglich verfügbare Sichteinlagen umfasst und mit dem Verbraucherpreisindex deflationiert wird. Im Gegensatz zur weiter gefassten Geldmenge M3 beinhaltet M1 ausschliesslich flüssige Mittel, die unmittelbar für Konsumzwecke zur Verfügung stehen. In den vergangenen 25 Jahren hat M1 die Entwicklung des Composite-EMI in der Eurozone sehr zuverlässig vorweggenommen.
Im Gegensatz zur Zinskurve wirkt die Geldmenge unmittelbar auf die Konjunktur: Je größer die in Umlauf befindliche reale Menge an Geld, desto höher ist potenziell die Nachfrage. Eine schrumpfende Geldmenge beziehungsweise eine deutliche Verlangsamung des Geldmengenwachstums tritt daher in der Regel in Phasen einer schwachen beziehungsweise rückläufigen Nachfrage, sprich in Abschwungphasen auf.
Ohne Moos nix los
Im Februar lag die reale Geldmenge im Vorjahresvergleich so tief im negativen Bereich wie nie zuvor seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1980. Selbst die nominale Geldmenge ist inzwischen im Vorjahresvergleich rückläufig – zum ersten Mal überhaupt.
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