Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
Solidarität in Europa
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand von Feri sowie Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute. Foto: Feri
Das Corona-Hilfsprogramm macht aus der Europäischen Union endgültig eine fragile Transferunion, ist Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp überzeugt. Außerdem verschleiere es, dass schwächere Mitgliedsländer auch ohne Corona dringend neue Finanzspritzen gebraucht hätten.
In der Folgezeit installierte die EZB zur Stützung der Euro-Zone ein System massiver finanzieller Alimentierung und Subventionierung. Seit 2014 kauft die EZB hierfür in großem Umfang Staatsanleihen der EWU-Mitgliedsländer (Q.E.) – bis heute im Gesamtvolumen von rund 3 Billionen Euro (Stand Juni 2020).
Für ihre Q.E.-Maßnahmen machte die EZB offiziell das Gebot strikter Verteilungsneutralität geltend. Dennoch zeigen Analysen, dass die ökonomisch schwächeren Problemländer (speziell Italien und Spanien) von der EZB verdeckt, aber gezielt und deutlich überproportional gestützt wurden. Das große Q.E.-Programm der EZB seit 2014 war also ein Versuch, die interne Divergenz der...
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In der Folgezeit installierte die EZB zur Stützung der Euro-Zone ein System massiver finanzieller Alimentierung und Subventionierung. Seit 2014 kauft die EZB hierfür in großem Umfang Staatsanleihen der EWU-Mitgliedsländer (Q.E.) – bis heute im Gesamtvolumen von rund 3 Billionen Euro (Stand Juni 2020).
Für ihre Q.E.-Maßnahmen machte die EZB offiziell das Gebot strikter Verteilungsneutralität geltend. Dennoch zeigen Analysen, dass die ökonomisch schwächeren Problemländer (speziell Italien und Spanien) von der EZB verdeckt, aber gezielt und deutlich überproportional gestützt wurden. Das große Q.E.-Programm der EZB seit 2014 war also ein Versuch, die interne Divergenz der Euro-Zone - klar erkennbar an der vorherigen Explosion der TARGET-Salden - durch massive Geldströme für einige Zeit zu übertünchen.
Die finanziellen Transfers im System der EWU wurden über offene Geldschöpfung finanziert, also durch von der EZB laufend neu gedrucktes Geld. Ein solches System rein monetärer Transfers konnte nicht auf Dauer angelegt sein, da die EZB ständig am Rande der Legalität operieren und ihr eigentliches Mandat eklatant überdehnen musste. Zudem erreichte die von der EZB betriebene Geldschöpfung ein kritisches Ausmaß, das zu Problemen und toxischen Nebenwirkungen in anderen Bereichen führte.
Spätestens mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020, die einen erneuten rapiden Absturz der Problemländer Italien und Spanien auslöste, stieß das System der EZB-Finanztransfers an seine Grenzen. Nicht zuletzt die neue EZB-Chefin Christine Lagarde warnte mehrfach vor einer drohenden Überforderung der EZB.
Folglich musste der bisherige Ansatz durch ein neues, dauerhafteres und tragfähigeres System abgelöst und langfristig ersetzt werden. Hier schlägt die Geburtsstunde eines neuen Transfersystems, diesmal auf Grundlage fiskalischer Transfers und raffiniert verpackt unter dem Deckmantel solidarischer Hilfen gegen die Schäden der Corona-Krise. Diese neue EU-Rhetorik soll im Prinzip nur verschleiern, dass die EWU auch ohne Corona dringend neue finanzielle Hilfen für die schwächeren Mitgliedsländer hätte organisieren müssen.
Zukunft der EWU bleibt fragil
Bleiben zwei Fragen für die Zukunft:
- Findet das EWU-System - mit für alle Mitglieder vertretbaren Kosten - auf diese Weise ein dauerhaft tragfähiges Gleichgewicht, oder erzwingt die strukturelle Divergenz des Systems, verstärkt durch negative Anreizwirkungen (Moral Hazard), nicht immer höhere (und irgendwann prohibitive) Transferzahlungen?
- Werden EU / EWU ihrem Anspruch von Transparenz und Rechtsstaatlichkeit gerecht, wenn die Architektur der Euro-Zone seit Jahren heimlich und in massiver Weise umgebaut wird; zumal dann, wenn dabei regelmäßig geltendes Recht, existierende Verträge und eindeutige politische Versprechungen gebrochen werden?
Die Realität wird diese Fragen wohl innerhalb der nächsten 5-10 Jahre beantworten; speziell aus deutscher Sicht bleibt aber Skepsis angebracht. Denn: Als inhärent instabiles System kann die EWU nicht ohne dauerhafte Alimentierung und Subventionierung ihrer schwächeren Mitglieder existieren. Fiskalische Transfers müssen von den stärkeren zu den schwächeren Mitgliedern der EWU fließen; sie werden also speziell deutsche Steuerzahler in Zukunft stark belasten.
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