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Investment-Strategie Wie sich Anleger jetzt positionieren sollten

Corona-Polizeipatrouille am Strand von San Diego: Weltweit stecken 147 Länder in einer Rezession, während der Finanzkrise 2009 waren es 88.
Corona-Polizeipatrouille am Strand von San Diego: Weltweit stecken 147 Länder in einer Rezession, während der Finanzkrise 2009 waren es 88. | Foto: imago images / ZUMA Wire
Laurent Denize, Global Co-CIO bei ODDO BHF AM

In den vergangenen Wochen ist Europa nach drei Monaten Stillstand aus dem Corona-bedingten Shutdown erwacht. Die Straßencafés und Büros der Metropolen füllen sich langsam wieder. Auf den Strandpromenaden drängen sich die Sommerurlauber. Auch die Börsen haben sich nach den schockartigen Verlusten aus dem Frühjahr wieder erholt. Fast alle Risikoanlagen haben zumindest 50 Prozent ihrer Krisenverluste wettgemacht. Nachdem während des Lockdowns die Krisengewinner aus der Technologie- und Health-Care-Branche gefragt waren, wendete sich der Risikoappetit der Anleger ab Ende Mai den zyklischen Industriewerten zu. Langfristige, strukturelle Anlagetrends wie Digitalisierung, KI und Nachhaltigkeit wurden durch die Corona-Krise sogar noch gestärkt. Dank der Unterstützung durch die Zentralbanken in Europa und den USA verzeichneten High-Yield-Bonds weltweit kräftige Zuflüsse. Also alles wieder auf Anfang? Oder haben sich die Kapitalmärkte von der makroökonomischen Realität abgekoppelt?

Ob die Rally nach einem der bislang kürzesten Bärenmärkte überhaupt nachhaltig ist, wird sich letztlich daran entscheiden, ob es gelingt die weitere Verbreitung von Covid-19 zu verlangsamen. In den meisten entwickelten Ländern gehen die Neuinfektionen zurück. Allerdings gibt es weiterhin Regionen mit starken Anstiegen neuer Fälle. Das Risiko einer zweiten Welle wird uns daher sicherlich noch eine ganze Weile begleiten.

Europa könnte gestärkt aus der Krise kommen

So heftig der Schock durch die weltweiten Eindämmungsmaßnahmen war – weltweit stecken 147 Länder in einer Rezession, während der Finanzkrise 2009 waren es 88 – so unerwartet steil könnte es nun wieder aufwärts gehen. Darauf deuten die kräftig anziehenden Zahlen aus China für Infrastrukturinvestitionen und Einzelhandelskonsum hin. Entscheidend für die Entwicklung in Europa war die Reaktion von Regierungen und Zentralbanken, die schnell und massiv reagiert haben. Mit dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen European Recovery Fund mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro gibt es zum ersten Mal die Chance auf einen solidarischen Ausgleich zwischen Ländern mit fiskalischen Spielraum wie Deutschland und Frankreich und solchen ohne wie Spanien und Italien. Europa steht hier an einem Scheideweg – wenn es gelingt, Solidarität und zukunftsträchtige Investitionen zu vereinbaren, könnte der Staatenbund gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Neben der gefürchteten zweiten Covid 19-Welle (wir halten hierzu hochfrequente Daten genau im Blick) gibt es allerdings noch weitere Risiken, die den Aufschwung auszubremsen drohen. Abgesehen von den USA, wo die Marktstruktur schnelle Arbeitsplatzwechsel ermöglicht, könnte sich die Arbeitslosigkeit aufgrund des durch die Pandemie ausgelösten Strukturwandels als hartnäckiger erweisen als angenommen. Sollte die dortige Rezession schwerer ausfallen als erwartet, werden mehr Firmenpleiten unvermeidlich. Die US-Präsidentschaftswahlen im Herbst und die Brexit-Verhandlungen erhöhen die politische Unsicherheit. Insbesondere in den USA würde ein Sieg der Demokraten wohl steigende Unternehmenssteuern bedeuten mit direkten Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung. Ob die inzwischen erreichten Bewertungen diese Risiken ausreichend widerspiegeln wird sich zeigen. Wie sollen sich Anleger in diesem Umfeld positionieren?

Hat die große Rotation schon eingesetzt?

Aktien: Blickt man auf die Wertentwicklung der Aktienmärkte und die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, scheint die Gewinnentwicklung in 2020 nicht länger von Belang. Value-Aktien ließen seit Mitte Mai Growth- und Qualitäts-Werte klar hinter sich. Hat die große, von vielen Investoren schon lange erwartete Rotation nun endlich begonnen? Dafür spricht der gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis große Bewertungsunterschied zwischen Growth- und Value-Aktien. Insbesondere die während der Corona-Krise gefragten IT-Aktien haben historisch hohe Bewertungen erreicht. Angesichts nur verhaltener Anzeichen für einen Anstieg der Inflation und steigender Zinsen ist die Unterstützung für eine nachhaltige Value-Renaissance jedoch begrenzt. Die typischen Value-Branchen wie Automobile und Telekommunikation stehen mit E-Mobilität und dem Ausbau des 5G-Netzes außerdem vor belastenden Herausforderungen. In diesem Kontext bevorzugen wir weiterhin die von langfristigen Trends profitierenden IT- und Gesundheitswerte, die von der konjunkturellen Erholung unterstützten Industriewerte und Banken, die sich schon weitgehend an das verschärfte Regulierungsumfeld angepasst haben.

Anleihen: Die Rally im High-Yield-Bereich war rasant. Wesentlich zu verdanken war dies der Unterstützung durch die Zentralbanken und einem knappen Angebot (nur teilweise wettgemacht von Fallen Angels aus dem Investment-Grade-Bereich). Mittel- bis langfristig schätzen wir die Aussichten zwar weiterhin positiv ein, sehen aber kurzfristig in diesem Segment weniger Potenzial. Staatsanleihen aus der Peripherie und Investment-Grade-Anleihen bieten dagegen weiterhin zumindest beschränktes Renditepotenzial.

Währungen: Nun endlich – so unsere Überzeugung – könnte der Euro gegenüber dem Dollar fester tendieren. Als treibende Faktoren hinter diesem Trend sehen wir das begrenzte Zinsdifferenzial, das sich ausweitende Doppeldefizit der USA und eine in diesem Ausmaß ungekannte Solidarität in Europa zur Unterstützung von Wachstum und Investitionen. Ein weiterer Aspekt ist nicht zuletzt die Pandemie, deren Entwicklung in den USA aktuell besorgniserregender ist als in Europa. 

Vieles spricht also für einen weiteren Aufschwung von Risikoanlagen: sinkende Infektionszahlen, maximale Unterstützung durch Regierungen und Zentralbanken, sinkende Volatilität, die mit dem Ende des Lockdowns sich normalisierende Wirtschaft und eine anschließende konjunkturelle Erholung. Sobald die Gewinnerwartungen der Unternehmen sich wieder aufhellen, können wir tatsächlich wieder zur Normalität zurückkehren. Bis dahin aber ist Vorsicht angesagt.

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