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Vorsicht bei Börsenanstiegen Kapitalanlage im Masken-Modus

Zufriedene US-Börsenhändler: Aufgrund von starken Technologieaktien und Wachstumswerten können die USA andere Aktienmärkte abhängen.
Zufriedene US-Börsenhändler: Aufgrund von starken Technologieaktien und Wachstumswerten können die USA andere Aktienmärkte abhängen. | Foto: imago images / Xinhua
Laurent Denize, Global Co-CIO bei ODDO BHF AM

Wir sehen die Weltwirtschaft weder am Rande einer neuen großen Depression noch am Beginn eines längeren, erzwungenen Schuldenabbaus. Gleichwohl sind die Verwerfungen durch Covid-19 so immens, dass wir wohl längere Zeit auf eine vollständige Erholung warten müssen. Kurzfristig ist daher mit einer gewissen Enttäuschung zu rechnen: Sobald die Anleger verstärkt die im kommenden Jahr zu erwartenden Wirtschaftsaktivitäten und Unternehmensergebnisse in den Blick nehmen,  dürften die deutlichen Aktienkursgewinne nach den Panikverkäufen einer rationaleren Analyse unterzogen werden. Die Märkte, so unsere Sorge, könnten den Fundamentaldaten wieder einmal zu weit vorausgeeilt sein und einen geordneten und erfolgreichen Neustart der Wirtschaft als selbstverständlich einpreisen.

Viele Volkswirtschaften stehen vor der Wiedereröffnung. Um jedoch die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten und wieder auf den Stand des vergangenen Jahres zu kommen, bedarf es medizinischer Durchbrüche und der breiten Verfügbarkeit von Therapien, mit denen sich Covid-19 besser behandeln lässt als mit den bisher getesteten Medikamenten.

Die Verschuldung vieler Unternehmen steigt

Während der S&P 500 Index wieder fast an das Niveau vom Sommer 2019 herangerückt ist, hinken andere Aktienmärkte deutlich hinterher. Dessen ungeachtet ist die Weltwirtschaft, und mit ihr die US-Wirtschaft, heute sehr viel schwächer als noch vor einem Jahr. Die Unternehmensgewinne sind deutlich gesunken, die Prognosen bleiben pessimistisch und die langfristige Entwicklung ist unklar. In den vergangenen Jahren konnten Unternehmen ihre Kurse durch Aktienrückkäufe stützen. Das ist nun nicht mehr möglich. Außerdem ist in der Regel das Ende einer Verlustphase dadurch gekennzeichnet, dass jene Branchen sowie Anlagestile wieder nach oben drehen, die auch in historischen Bullenmärkten vorn lagen. Das konnten wir bisher noch nicht beobachten, im Gegenteil: Technologieaktien und Wachstumswerte dominieren weiterhin und sind der Grund, warum die USA andere Aktienmärkte abhängen können. Die offensichtlich besonders sorglosen US-Anleger erwarten in diesem Jahr einen Gewinneinbruch von lediglich 20 Prozent; schon im kommenden Jahr sollten die Gewinne wieder um 25 Prozent steigen, so die generelle Einschätzung.

Wir zweifeln zwar nicht an der unbegrenzten Unterstützung durch die Zentralbanken, doch die Unternehmen werden wohl noch höher verschuldet aus dieser Krise hervorgehen und können ihre Investitionsvolumen nicht weiter erhöhen. Ein schneller Rückgang der Arbeitslosigkeit in den USA ist daher unwahrscheinlich – was den Konsum und damit den wichtigsten Wachstumsmotor in den USA belasten dürfte.

In dieser Hinsicht ist das Verhalten der chinesischen Verbraucher aufschlussreich, die aufgeschobene Ausgaben tatsächlich nachholen – allerdings nicht bei langlebigen Gütern. In der Eurozone hingegen erwarten Aktienanleger einen kräftigeren Gewinnrückgang (-35 Prozent), Ende 2021 sollten die Gewinne jedoch, so die Meinung der Marktteilnehmer, nur noch 20 Prozent unter dem Stand des Jahres 2019 liegen. Ohne eine engere Koordinierung unter den Ländern erscheint uns diese Prognose unrealistisch, zumal das Wachstumspotenzial in Europa viel geringer ausfällt als in den USA.

Strategische Erwägungen

Wir haben unsere neutral-defensive Aktienposition aus taktischen Gründen erneut reduziert. Die Aussichten für Unternehmensanleihen schätzen wir jedoch langfristig noch immer als gut ein, da diese von den Wertpapierkäufen der Zentralbanken profitieren. Die drastisch sinkenden Risikoaufschläge mahnen jedoch auch hier zur Vorsicht. Bestehende Positionen bauen wir daher tendenziell nicht weiter aus.

Andererseits haben Unternehmensanleihen bei Nullzinsen einen erheblichen Vorteil: hohe positive Renditen zwischen 5 und 7 Prozent (je nach Laufzeit im High-Yield-Bereich); die entsprechend hohen Carry-Gewinne können zum Kauf von Absicherungen verwendet werden. Denkbar ist dies etwa durch die Reduzierung von Direktbeteiligungen und den Ausbau der Cash-Positionen, aber auch durch konvexe Risikoprofile mittels Put-Optionen, deren Volatilität wieder auf ein akzeptables Niveau gefallen ist. Das Zahlen einer Prämie für eine Put-Option ist aus Anlegersicht gut investiert, ermöglicht sie es doch, von einer Erholung – so sie denn kommt – zu profitieren. Hierbei gilt: Einem Basisszenario ist stets ein Alternativszenario entgegenzusetzen, in diesem Fall das Szenario erheblicher Fortschritte in der Pandemiebekämpfung oder zumindest eine Bestätigung des Sprichworts: „Don‘t fight the central banks“.

In Anbetracht der Gesundheitslage und der aktuellen Kurserholung halten wir es, salopp gesagt, für angebracht, nur mit Maske vor die Tür zu treten. Wir wollen uns vor Covid-19 und den Auswirkungen der Krankheit schützen. Unser Anlageziel lässt sich hingegen klar und ohne Maske formulieren: Wir wollen günstig Anteile an soliden Unternehmen kaufen, die diese beispiellose Krise überstehen können. Auch in dieser Hinsicht sind keine Fehler erlaubt.

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Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.