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Daten, Tiefe, Maßeinheiten „Rating-Anbieter messen Klimafolgen noch unzureichend“

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Fallstudie: Woolworths – persönlicher Einblick zählt

Die Bewertungen von Anbietern haben wir zudem mit unseren eigenen Szenarioanalysen vergleichen. Dies geschah anhand von Woolworths, einer australischen Supermarktkette. Unser Team schätzt, dass die physischen Risiken einer Unterbrechung der Lieferkette viel schlimmer sein werden als die Schätzungen der Szenarioanalyse-Modelle von Drittanbietern. Tatsächlich stufte AB das physische Risiko als hoch ein – im Gegensatz zu allen vier Anbietern, die dieses als niedrig bewerteten. Besondere Sorge bereitet uns die Möglichkeit, dass der Klimawandel die Lebensmittelversorgung beeinträchtigt und zu einer hohen Lebensmittelinflation führt. Das könnte wiederum die Regierung veranlassen, die Kapitalrendite für Lebensmittelhändler zu begrenzen, um die Verbraucher zu schützen.

Auf der anderen Seite stuften alle Anbieter von Szenarioanalysen das Transformationsrisiko für Woolworths als mittel bis hoch ein und urteilten, dass der Großteil der Kohlenstoffbelastung für die meisten Unternehmen aus den Scope-3-Emissionen fossiler Brennstoffe stammt (innerhalb der Lieferkette eines Unternehmens, etwa bei Kunden). Betrachtet man den Scope 3 genauer, so würde die große Anzahl von Lieferanten und Kunden einer Lebensmittelkette einen überdurchschnittlich hohen Risikowert verursachen. Was diese Modelle jedoch nicht berücksichtigten, war die Möglichkeit des Übergangs durch umweltbewusstere Verbraucher, die klimafreundlichere Produkte, Dienstleistungen und Orte zum Einkaufen suchen, was uns dazu veranlasste, das Übergangs-Klimarisiko für Woolworths als niedrig einzustufen.

Die weitere Entwicklung der Szenarioanalyse-Modelle

Diese Beispiele zeigen, dass die Identifizierung und Quantifizierung von Klimarisiken und -chancen durch Szenarioanalysen ein schwieriges Unterfangen ist, erst recht für ein gesamtes Portfolio. Mit der Weiterentwicklung von Daten und Modellen dürfte sich allerdings einiges ändern.

Immer mehr Länder und Institutionen fordern die Einbeziehung von Klimadaten und Szenarioanalysen in die öffentliche Berichterstattung. Die britischen Aufsichtsbehörden beispielsweise führen diese Berichterstattung schrittweise ein, und es wird erwartet, dass sie bis 2025 für in Großbritannien börsennotierte Unternehmen, Pensionskassen und Investmentmanager verpflichtend sein wird. Australien und Neuseeland verlangen bereits, dass Vermögenseigner diese Informationen zur Verfügung stellen. Und dieselben Daten werden allmählich auch für Unternehmensemittenten verlangt. Obwohl die weltweite Investoreninitiative zur Umsetzung der Prinzipen der Vereinten Nationen für verantwortungsvolles Investieren (PRI) die Unterzeichner erst in etwa einem Jahr auf Basis der Einhaltung dieser empfohlenen Praxis bewerten wird, denken wir, dass sie kommen wird.

Wir kombinieren die detaillierten Unternehmens- und Sektorkenntnisse unserer Analysten sowie unser umfassendes Engagement für Emittenten in Klimafragen mit den von Drittanbietern verfügbaren Klimarisikodaten. Wir sind überzeugt, dass diese Kombination zu besseren Erkenntnissen führen sollte, als wenn man sich nur auf externe Klimadaten verlässt, und dass sie auch zu besseren Anlageentscheidungen und Berichten für die Kunden führt.

Das Verständnis der Diskrepanzen in dieser ersten Generation von kommerziell verfügbaren Szenarioanalysen ist der erste Schritt zur Entwicklung besserer Werkzeuge. Wir erwarten substanzielle Verbesserungen der Modelle und Daten, da Vermögenseigner ihre Investmentmanager zu einer aussagekräftigen und relevanten Berichterstattung drängen, die in die Investmentanalyse einfließt. Unternehmen, die sich frühzeitig in diesem Prozess engagieren, können die Entwicklung besserer Modelle beeinflussen und gestalten und ihre Portfolios und Investoren besser auf die langfristigen Risiken und Chancen vorbereiten, die den Emittenten in den kommenden Jahren durch den Klimawandel entstehen.

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