Ifo-Studie über Einkommensgleichheit
Warum die OECD nicht ganz richtig liegt
Ifo-Wissenschaftler (von links): Paul Hufe, Andreas Peichl, Daniel Weishaar Foto: Ifo-Institut
Laut OECD-Studie hat man in Deutschland mehr Geld, je reicher man geboren wird – vereinfacht ausgedrückt. Drei Wissenschaftler des Ifo-Instituts in München haben die Studie einer Probe unterzogen. Das – etwas relativierende – Ergebnis lesen Sie hier.
Auch an dieser Stelle sind die von der OECD gewählten Einschränkungen relativ restriktiv. So werden sowohl auf Ebene der Väter als auch auf Ebene der Söhne selbständig tätige Personen nicht berücksichtigt. Diese Einschränkung, die sich sonst nur in Vogel (2006) findet, wird von der OECD nicht explizit gerechtfertigt. Vermutlich bezieht sie sich aber auf die höhere Einkommensvolatilität von Selbständigen, die eine korrekte Messung des permanenten Einkommens erschwert. Im Kontext der Studie greift dieses Argument allerdings nicht, da der Großteil der transitorischen Volatilität bereits über den relativ langen Achtjahresdurchschnitt herausgefiltert wird. In Deutschland besteht die Gruppe der Selbständigen...
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Auch an dieser Stelle sind die von der OECD gewählten Einschränkungen relativ restriktiv. So werden sowohl auf Ebene der Väter als auch auf Ebene der Söhne selbständig tätige Personen nicht berücksichtigt. Diese Einschränkung, die sich sonst nur in Vogel (2006) findet, wird von der OECD nicht explizit gerechtfertigt. Vermutlich bezieht sie sich aber auf die höhere Einkommensvolatilität von Selbständigen, die eine korrekte Messung des permanenten Einkommens erschwert. Im Kontext der Studie greift dieses Argument allerdings nicht, da der Großteil der transitorischen Volatilität bereits über den relativ langen Achtjahresdurchschnitt herausgefiltert wird. In Deutschland besteht die Gruppe der Selbständigen zudem aus zahlreichen Berufsgruppen, deren Einkommensvolatilität sich nicht wesentlich vom Rest der Bevölkerung unterscheidet. Dies gilt beispielsweise für niedergelassene Ärzte und Rechtsanwälte. Werden nun Selbständige in die Berechnung einbezogen, reduziert sich die Elastizität auf 29,3 Prozent und wird somit beinahe halbiert (vgl. OECD 2018).
Des Weiteren könnten durch die relativ starke Achtjahresrestriktion Personen mit niedrigerem Durchschnittseinkommen ausgeschlossen werden, da diese mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Episoden der Erwerbslosigkeit erfahren und somit in mehreren Jahren kein Einkommen erzielen. Der daraus resultierende Ausschluss des unteren Einkommenssegments würde zu einer Überschätzung der IGE führen, da die Mobilität im unteren Bereich der Einkommensverteilung überdurchschnittlich hoch ist (vgl. Couch und Lillard 2004; Bratsberg et al. 2007).
Ein weiterer Grund für die Variation der IGE-Schätzungen im deutschen Kontext ist die zeitliche und geographische Abdeckung der verschiedenen Studien. So beschränkt sich die Mehrheit der anderen Studien bei der Analyse auf Westdeutschland oder bezieht sich auf den Zeitraum nach 1989/1990, um die durch die Wiedervereinigung zweier strukturell grundsätzlich verschiedener Volkswirtschaften entstandenen Sondereffekte auszuschließen. Zu diesen Sondereffekten gehört zum Beispiel auch die Migration von vorwiegend jungen Menschen aus Ostdeutschland in der Nachwendezeit (vgl. Vogel 2006).
Verlässlichkeit und Anwendungsgrenzen
Unsere obigen Ausführungen zeigen, wie schwierig es ist, auf Basis der in Deutschland zur Verfügung stehenden Daten ein verlässliches Bild der intergenerationellen Einkommensmobilität zu zeichnen – von länderübergreifenden Vergleichen ganz zu Schweigen. Neben den oben erwähnten methodischen Erwägungen erscheint es uns darüber hinaus sinnvoll, auf einige von der OECD unerwähnte Anwendungsgrenzen der IGE-Statistik einzugehen und mögliche Alternativen aufzuzeigen.
- Die intergenerationelle Einkommenselastizität ist ein relatives Mobilitätsmaß, das nicht nur den Zusammenhang zwischen Eltern- und Kindeseinkommen abbildet, sondern auch von der Varianz der marginalen Verteilungen beeinflusst wird. Eine höhere Varianz in der Einkommensverteilung der Söhne führt mechanisch zu einer höheren Einkommenselastizität, während eine geringere Varianz in der Einkommensverteilung der Väter zu einer geringeren Einkommenselastizität führt (vgl. Black und Devereux 2011). Somit vermischt das IGE-Maß generell die Entwicklung der Streuung der Einkommen mit der generationenübergreifenden Mobilität. Dies könnte vor allem im deutschen Kontext relevant sein, da die Varianz der Einkommen in der Generation der Väter durch das Einkommensgefälle zwischen Ost und West nach der Wiedervereinigung besonders hoch ist. Auch dies würde die IGE nach oben verzerren. Dabei gibt es Mobilitätsmaße, die die Streuung der Einkommen in den Generationen herausfiltern. Beispielhaft ist hier die lineare (Pearson-)Korrelation zu nennen. Auch andere Maße, wie die (Spearman-)Rang- Korrelation oder intergenerationelle Übergangsmatrizen fehlen im OECD-Bericht, obwohl diese den Vorteil haben, deutlich robuster gegenüber den angesprochenen Messproblemen zu sein (vgl. Nybom und Stuhler 2016).
- Selbst wenn die restriktiven Einschränkungen der OECD-Studie in Bezug auf die Messung permanenter Einkommen und die betrachtete Grundgesamtheit dazu führen, Verzerrungen in den Punktschätzern zu vermeiden, reduziert sich in nächster Konsequenz die Anzahl der verwendeten Vater/Sohn-Paare. Dies kann die Varianz des IGE-Parameters erhöhen und somit die Verlässlichkeit der Schätzung reduzieren. Leider finden sich in der OECD-Studie keine Informationen bezüglich der Anzahl der verwendeten Vater/Sohn Paare, der Standardfehler oder Konfidenzintervalle. Somit ist eine Bewertung der Verlässlichkeit der Ergebnisse schwer möglich. Insbesondere vor dem Hintergrund der politisch brisanten Ergebnisse für Deutschland wäre eine Angabe dieser statistischen Größen daher wünschenswert gewesen.
Die Generationenstatistik
Freilich übersetzen sich die oben diskutierten Probleme in die Generationenstatistik, die von der OECD prominent in der Zusammenfassung des Berichts und in den sozialen Medien verbreitet wurde. Diese verwendet die berechnete Einkommenselastizität, um aufzuzeigen, wie lange es dauert, bis die Nachkommen einer Person aus dem untersten Einkommensdezil durch Regression zum Mittelwert (vgl. Zimmerman 1992; Bowles und Gintis 2002) das mittlere Einkommen erreichen. In Deutschland würde dies auf Basis der vorgelegten IGE-Berechnungen etwa sechs Generationen dauern.
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