Folker Hellmeyer
Konjunkturzyklik, Zentralbankpolitik – Klartext!
Folker Hellmeyer ist Chefanalyst bei Solvecon Invest. Foto: Solvecon Invest
Ist der aktuelle Konjunkturzyklus und mit ihm der langjährige Bullenmarkt an seinem Ende angekommen? Es kommt darauf, welche Weltregion man betrachtet, sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei der Bremer Fondsboutique Solvecon.
Aber der Unterschied lässt sich auch im Privatsektor festmachen. Die Kreditvergabe verzeichnete erst Mitte 2014 nominales Wachstum, das bis heute absolut unterproportional ausfällt. Anders ausgedrückt sind es in der Eurozone maßgeblich wiederkehrende Einkommen, die den Wirtschaftszyklus forcieren. Dieser qualitative Unterschied macht deutlich, dass der Reifegrad des Kreditzyklus kaum messbar ist. Damit ist die Resilienz des Wirtschaftszyklus der Eurozone ausgeprägt.
Die Gesundung am Arbeitsmarkt der Eurozone ist nachhaltiger als wahrgenommen. So stellt sich die Arbeitslosenquote auf nur noch 7,8 Prozent (Tiefstwert seit 10/2008) nach in der Spitze 12,2 Prozent per 2013. Mehr noch hat...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Aber der Unterschied lässt sich auch im Privatsektor festmachen. Die Kreditvergabe verzeichnete erst Mitte 2014 nominales Wachstum, das bis heute absolut unterproportional ausfällt. Anders ausgedrückt sind es in der Eurozone maßgeblich wiederkehrende Einkommen, die den Wirtschaftszyklus forcieren. Dieser qualitative Unterschied macht deutlich, dass der Reifegrad des Kreditzyklus kaum messbar ist. Damit ist die Resilienz des Wirtschaftszyklus der Eurozone ausgeprägt.
Die Gesundung am Arbeitsmarkt der Eurozone ist nachhaltiger als wahrgenommen. So stellt sich die Arbeitslosenquote auf nur noch 7,8 Prozent (Tiefstwert seit 10/2008) nach in der Spitze 12,2 Prozent per 2013. Mehr noch hat die Beschäftigung in der Eurozone mit 158,9 Millionen Menschen eine neue historische Höchstmarke erreicht. Die sich aus dieser Entwicklung ergebenden Einkommen sind entscheidende Treiber des Konsums und damit des Wachstums.
Chart: Anzahl der Beschäftigten in der Eurozone
Die EZB scheint sich in ihren Modellen nicht maßgeblich den qualitativen Gesichtspunkten zu widmen, sondern in Analogie zur Federal Reserve maßgeblich quantitativen Ansätzen zu folgen. „Chapeau!“
Fraglos belastet das politische Thema Brexit als weitere Risikogröße, um von Zinsmaßnahmen per 2019 Abstand zu nehmen. Bei intensiver Beschäftigung mit dem Thema Brexit, lassen sich jedoch für die Eurozone durchaus positive Einflüsse ausmachen. Dazu unterstellen wir den unregulierten Brexit per Ende März 2019. In der Folge wären die Transaktionskosten im Austausch zwischen UK und der Eurozone/EU auf Sicht von bis zu 12 Monaten erheblich, bis sich der WTO-Modus etablierte. Mittel- und langfristig hätte diese Variante des Brexits aber einen ausgeprägten Charme, da dadurch die Produktionsstättenverlagerung aus dem UK in die Eurozone nachhaltiger und zügiger ausfallen würde. Entsprechend entstünden in der Eurozone mehr Jobs. Steuerzahlungen fielen hier ebenso wie Kontributionen in kontinentaleuropäische Sozialsysteme an. Um es sarkastisch auszudrücken: Das UK hätte noch nie zuvor seit 1973 so viel Gutes für die nachhaltige Wirtschaftsstruktur Kontinentaleuropas gemacht.
Vor diesem Hintergrund wäre die EZB gut beraten, die vorübergehenden Kosten der ersten zwölf Monate mit den nachhaltigen Wachstumswirkungen aus der Verlagerung der Produktionsstätten abzuwägen, um angemessene Zinspolitik zu betreiben. Wir erwarten das aber nicht, denn der quantitativ geprägte Philosophenturm der Ökonomen erlaubt das offensichtlich nicht.
Aus dieser Gemengelage lassen sich folgende Rückschlüsse für die Zukunft ziehen:
- Die Position der USA im Handelskonflikt mit China ist nur Ausdruck einer vermeintlichen Stärke. Die Belastung des eigenen Investitionsstandorts durch die Zollkosten lässt sich bereits statistisch erfassen. Der Zwang zu einem Kompromiss nimmt für die USA tagtäglich zu, wenn man die US-Konjunktur nicht nachhaltig beschädigen will.
- Der Zinserhöhungszyklus in den USA ist weitgehend abgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ab zweiten Halbjahr mindestens verbal um das Thema Zinssenkung gehen wird, ist ausgeprägt, da der Kreditzyklus in den USA weit fortgeschritten ist.
- Die Widerstandskraft der kontinentaleuropäischen Konjunkturlage wird unterschätzt, da insbesondere im Konsum wiederkehrende Einkommen den Aufschwung definieren.
- Der Kreditzyklus der Eurozone ist im Gegensatz zu den USA und auch dem UK bestenfalls als pubertär zu klassifizieren.
- Der Brexit, sollte er stattfinden, stellt eine temporäre Belastung dar. Je härter er ausfällt, desto höher sind zwar kurzfristige Transaktionskosten, aber desto höher ist der mittel- und langfristige Nutzen im Rahmen der Verlagerung der Produktionsstätten nach Kontinentaleuropa.
- Mit der absehbaren Zinspolitik der Federal Reserve und der EZB wird das Thema des Anlagenotstands erkennbar dominanter.
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