Volkswirt Klaus Bauknecht
Wie Politiker den Wohlstand fördern können
Aktualisiert am 28.09.2023 - 12:43 Uhr
Klaus Bauknecht arbeitet als Volkswirt bei der IKB Deutsche Industriebank. Foto: IKB Deutsche Industriebank AG / Canva
Die aktuelle Konjunktureintrübung sorgt in Deutschland dafür, dass die Investitionsquote weiter sinkt. Das hat Folgen – unter anderem für das Erreichen der Klimaziele.
Es ist dem Klima nicht geholfen, wenn eine der innovativsten Volkswirtschaften immer weniger eigene Impulse setzen kann und ihre Unternehmen zunehmend ihr Gewinnpotenzial im Ausland sehen – gerade, wenn diese Länder weniger ambitionierte Klimaziele verfolgen. Die deutsche Wirtschaftspolitik setzt sich ehrgeizige Klimaziele, die eine Neuausrichtung des Kapitalstocks der Wirtschaft erfordern. Doch gleichzeitig zweifeln Unternehmen zunehmend an der Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland.
Die Folge ist eine Investitionszurückhaltung, die durch die aktuelle Konjunktureintrübung noch verstärkt wird. Gleichzeitig belastet die hohe Inflation den Lebensstandard vieler Menschen, was...
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Es ist dem Klima nicht geholfen, wenn eine der innovativsten Volkswirtschaften immer weniger eigene Impulse setzen kann und ihre Unternehmen zunehmend ihr Gewinnpotenzial im Ausland sehen – gerade, wenn diese Länder weniger ambitionierte Klimaziele verfolgen. Die deutsche Wirtschaftspolitik setzt sich ehrgeizige Klimaziele, die eine Neuausrichtung des Kapitalstocks der Wirtschaft erfordern. Doch gleichzeitig zweifeln Unternehmen zunehmend an der Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland.
Die Folge ist eine Investitionszurückhaltung, die durch die aktuelle Konjunktureintrübung noch verstärkt wird. Gleichzeitig belastet die hohe Inflation den Lebensstandard vieler Menschen, was wiederum zu hohen Lohnforderungen führt und die Klimaziele in den Hintergrund rücken lässt.
Expterten fordern Steuersenkungen
Was ist in dem Umfeld von Konjunktureintrübung, hoher Inflation und ambitionierten Klimazielen zu tun, um einen spürbaren Investitionsschub sicherzustellen beziehungsweise diesen mit der nächsten konjunkturellen Erholung voranzutreiben? Viele Experten fordern Steuersenkungen – zum Beispiel bei den Strom- oder Unternehmenssteuern. Dies ist sicherlich nicht verkehrt. Schließlich ist alles, was die Rendite von Investitionen steigert, förderlich. Denn nur eine im internationalen Vergleich attraktive Rendite stärkt die Motivation, am Standort Deutschland zu investieren. Ansonsten sind auch die Klimaziele nicht zu erreichen, und es kommt infolge staatlicher Regulierung sowie Einmischung zu einer Abwanderung beziehungsweise einem Abbau des deutschen Kapitalbestands.
Gerade angesichts der Gefahr eines sinkenden Lebensstandards und des Fachkräftemangels muss mehr passieren. Denn die aktuelle Konjunktureintrübung verschärft die strukturellen Herausforderungen am Standort und benötigt deshalb eine wirtschaftspolitische Antwort. Diese sollte nicht nur Investitionen fördern, sondern auch dem Inflationsdruck entgegenwirken.
Normalerweise wirkt die Fiskalpolitik über die Nachfrage: Staatsausgaben, Konjunktur- oder Entlastungspakete, sie alle haben ihren primären Einfluss auf die Nachfrageseite der Wirtschaft. Schließlich geht es in einer Rezession darum, die Auftragsbücher zu füllen. Aktuell ist dies jedoch eher kontraproduktiv. Denn eine Nachfragestärkung würde den Anstrengungen der EZB entgegenwirken, die Nachfrage durch Zinsanhebungen zu dämpfen.
Ziel der Geldpolitik ist, die Nachfrage zu schwächen, um so den Preisdruck in der Wirtschaft zu dämpfen. Durch die Nachfrageschwäche baut sich Margendruck auf. Unternehmen können ihre gestiegenen Kosten bei höheren Löhnen kaum weitergeben. Das belastet Konjunktur und Lebensstandard. Würde die Anpassung hingegen über eine Ausweitung der Angebotsseite erfolgen, würde dies den Raum für mehr Konsum und damit einen höheren Lebensstandard schaffen.
Im Allgemeinen sind es technologischer Fortschritt, Investitionen sowie Produktivitätswachstum, die zu einem höheren Lebensstandard und mehr Gütern führen. Die Ausweitung der Produktion wirkt dann dem Preisdruck entgegen. Eine nachhaltige wohlstandsfördernde Reaktion auf einen Inflationsschock ist also eine Angebotsausweitung. Diese ist kurzfristig jedoch kaum kontrollierbar. Rohstoffpreisrückgänge, technologischer Wandel oder ein Investitionsboom lassen sich nur schwer planen oder zügig umsetzen.
Fachkräftemangel und eine alternde Bevölkerung werden häufig als Gründe für eine höhere Inflation angeführt. Das Angebotspotenzial der Wirtschaft wird durch fehlende Fachkräfte eingeschränkt, während die Nachfrage zum Beispiel durch einen erhöhten Bedarf an Pflege oder medizinischer Versorgung steigen wird. Unterm Strich ergibt sich ein Ungleichgewicht. Ohne eine mittelfristige Reaktion der Angebotsseite und einer Zunahme des Potenzialwachstums wird dies für Preisdruck sorgen und langfristig für einen höheren Gleichgewichtszinssatz.
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