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Zwischen Faszination und Furcht Macht KI uns die Jobs streitig?

Beim Digitalgipfel in Jena wurde jüngst über die digitale Zeitenwende debattiert
Beim Digitalgipfel in Jena wurde jüngst über die digitale Zeitenwende debattiert: Die Verbreitung von minderwertigen KI-Inhalten könnte die Qualität des Internets insgesamt beeinträchtigen. | Foto: Imago Images / Roman Möbius

Egal ob Filmproduzent in Hollywood oder Lkw-Fahrer – künstliche Intelligenz bereitet vielen Menschen Sorge. Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts wächst das Unbehagen über die Auswirkungen der generativen KI auf unsere Arbeit, das soziale Gefüge und die Welt im Allgemeinen. Wird es überhaupt noch Aufgaben geben, die nicht von Maschinen erledigt werden?

In den vergangenen zehn Jahren haben meine Mitarbeiter und ich sich intensiv mit den Auswirkungen der KI beschäftigt. Vor einem Jahrzehnt habe ich in einem mit dem KI-Wissenschaftler Michael Osborne verfassten Beitrag aufgezeigt, dass schätzungsweise fast 47 Prozent der Arbeitsplätze in den USA theoretisch automatisiert werden könnten, da KI und mobile Robotik das Spektrum der auf den Computer übertragbaren Aufgaben vergrößern.

Die Grenzen der Automatisierung: Menschliche Kreativität als unersetzlicher Faktor

Unseren Vorhersagen lag die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch ungeachtet des technischen Fortschritts in drei zentralen Bereichen weiterhin die Oberhand behalten würde: Kreativität, komplexe soziale Interaktionen und Umgang mit unstrukturierten Situationen, zum Beispiel im eigenen Zuhause.

Dennoch muss ich zugeben, dass sich auch in diesen Bereichen sehr viel getan hat. Large Language Models (LLMs) wie GPT-4 können mittlerweile auf unzählige Prompts menschenähnliche Textreaktionen erzeugen. Im Zeitalter der generativen KI schafft es die Maschine sogar, charmante Liebesbotschaften zu verfassen.

Doch sind die Unzulänglichkeiten bei der Automatisierung, wie wir sie vor zehn Jahren festgestellt haben, noch immer nicht behoben. Wenn GPT-4 zum Beispiel in Ihrem Auftrag für Sie Liebesbriefe schreibt, dann wird die persönliche Verabredung umso wichtiger. Die Krux an der Sache ist nämlich, dass in die sozialen Interaktionen immer mehr Algorithmen hineinspielen, daher nimmt auch die Bedeutung persönlicher Interaktionen, die von der Maschine (noch) nicht imitiert werden können, zu.

Und dass die KI einen Brief mit Shakespeares Eloquenz schreiben kann, ist nur möglich, weil sie mit den Werken von Shakespeare trainiert wurde. Grundsätzlich glänzt KI bei Aufgaben, die durch explizite Daten und Ziele definiert sind, wie zum Beispiel die Optimierung von Spielergebnissen oder die Nachahmung von Shakespeare-Prosa. Doch welchen Maßstab sollte man anlegen, wenn es darum geht, originale Inhalte zu schaffen, anstatt alte Ideen zu kopieren? Vielleicht die menschliche Kreativität?

 

Darüber hinaus können viele Aufgabenbereiche nicht automatisiert werden. Generative KI – eine Teilmenge der weitreichenden KI-Landschaft – funktioniert nicht unbedingt als Automatisierungs-Tool. Sie erfordert menschlichen Input als Impulsgeber und für die anschließende Verfeinerung, sowie Überprüfung der Fakten und Bearbeitung der Ergebnisse.

Geht Unsinn rein, kommt Unsinn raus

Schließlich spiegelt sich in der Qualität der Inhalte der generativen KI auch die Qualität der Trainingsdaten wider. Wie heißt es so schön: Geht Unsinn rein, kommt Unsinn raus. In der Regel basieren die Algorithmen auf riesigen Datensätzen, die oft weite Teile des Internets umfassen, und nicht auf sorgfältig von Experten zusammengestellten Datenbeständen. Daher neigen LLMs dazu, Texte zu verfassen, deren Inhalt durchschnittlich ist – und alles andere als außergewöhnlich. Wie von Michael Osborne und mir kürzlich in einem Artikel in The Economist erläutert, ist das Prinzip ganz einfach: Durchschnittliche Daten führen zu durchschnittlichen Ergebnissen.

Ohne wirkliche Innovation braucht KI weiterhin den Menschen

Was bedeutet das also für die Zukunft der Beschäftigung? Zunächst einmal erfordert die aktuelle KI-Welle konsequente menschliche Aufsicht. Interessanterweise haben diejenigen mit weniger spezialisierten Fähigkeiten vielleicht einen Vorteil, da sie nun Inhalte erstellen können, die diesem „durchschnittlichen“ Standard entsprechen.

Die zentrale Frage ist natürlich: Kann der künftige Fortschritt dies bald ändern und eine Automatisierung auch in kreativen und sozialen Bereichen ermöglichen? Ohne wirkliche Innovation erscheint das zweifelhaft. Erstens machen die Daten, die die LLMs bereits herangezogen haben, vermutlich einen erheblichen Teil des Internets aus. Daher herrscht Skepsis darüber, ob das Spektrum der Trainingsdaten in den nächsten Jahren überhaupt hinreichend erweitert werden kann. Darüber hinaus könnte die Verbreitung von minderwertigen KI-Inhalten die Qualität des Internets insgesamt beeinträchtigen und es damit zu einer unzuverlässigeren Trainingsquelle machen.