Volkswirt Axel Angermann
Wettbewerbsfähigkeit: Wie der Staat helfen kann
Axel Angermann ist Chefvolkswirt der Feri-Gruppe. Foto: Feri
Europa kann in der Weltwirtschaft nur als Ganzes eine bedeutende Rolle spielen, ist Axel Angermann überzeugt. Hier sagt der Feri-Chefvolkswirt, wie der Kontinent seine Position im Geflecht der Weltmächte stärken kann.
Die veränderte geopolitische Lage erhöhte den Anpassungsdruck auf Europa zuletzt deutlich. Die Herausforderungen der Volkswirtschaften auf dem Kontinent sind komplex, da sich mehrere Probleme überlagern und gegenseitig verstärken.
So ist die Weltwirtschaft aktuell aufgestellt:
Nach dem Ende der bisherigen globalen Friedensordnung, die vor allem auf einer universellen Regelbindung basierte, dominieren künftig macht- und sicherheitspolitische Interessen die Außenbeziehungen. Das gefährdet zunehmend einen reibungsfreien weltweiten Austausch von Gütern und Dienstleistungen und wirft damit die Frage nach der Abhängigkeit bei einzelnen Gütern und von bestimmten Lieferanten...
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Die veränderte geopolitische Lage erhöhte den Anpassungsdruck auf Europa zuletzt deutlich. Die Herausforderungen der Volkswirtschaften auf dem Kontinent sind komplex, da sich mehrere Probleme überlagern und gegenseitig verstärken.
So ist die Weltwirtschaft aktuell aufgestellt:
- Nach dem Ende der bisherigen globalen Friedensordnung, die vor allem auf einer universellen Regelbindung basierte, dominieren künftig macht- und sicherheitspolitische Interessen die Außenbeziehungen. Das gefährdet zunehmend einen reibungsfreien weltweiten Austausch von Gütern und Dienstleistungen und wirft damit die Frage nach der Abhängigkeit bei einzelnen Gütern und von bestimmten Lieferanten auf.
- Von besonderer Relevanz ist dieses Thema hinsichtlich der strategischen Rivalität zwischen den USA und China. Eine wechselseitige Abkoppelung und die zunehmende Herausbildung voneinander getrennter Wirtschaftsräume sind in mittel- bis langfristiger Perspektive das Basisszenario, auf das Europa eine eigenständige strategische Antwort finden muss.
- Auf volkswirtschaftlicher Ebene verlieren die Vorteile einer global vernetzten Wirtschaft mit leistungsfähigen Exporten und dem Ausnutzen von Mechanismen internationaler Arbeitsteilung an Wert. Gleichzeitig ist die hohe Anfälligkeit gegenüber exogenen Schocks ein zunehmendes Risiko.
- Das Ende russischer Gaslieferungen nach Europa hat kurzfristig die Energieversorgung gefährdet und zeitweise zu hohen Preisanstiegen geführt, daneben aber auch langfristige Pläne zur Energieversorgung zunichte gemacht – soweit diese wesentlich auf dem Einsatz von russischem Gas als Energieträger beruhten.
- Die angestrebte und notwendige ökologische Transformation der Volkswirtschaften mit dem Ziel der Klimaneutralität wirft Fragen danach auf, mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden soll und welche ökonomischen Implikationen die einzelnen Mittel haben. Von hoher Relevanz ist hier der Vorbildcharakter Europas, weil der Klimaschutz nicht von Europa allein erreicht werden kann, sondern zwingend ähnlich gelagerte Aktivitäten vor allem der USA, Chinas, Indiens und Brasiliens erfordert.
- Ergebnis ist ein Strukturwandel innerhalb der Volkswirtschaften, bei dem aus heutiger Perspektive noch unklar ist, wie weit dieser Wandel gehen soll und welche Rolle der Staat dabei spielt. In der deutschen Öffentlichkeit wird diese Frage vor allem unter dem Stichwort „Deindustrialisierung“ geführt.
- Problematisch bleibt grundsätzlich auch die ökonomische Heterogenität – besonders innerhalb der europäischen Währungsunion. Aus den zum Teil großen Unterschieden in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Länder resultieren erhebliche Risiken für die gemeinsame Geldpolitik, bis hin zur Gefahr eines Auseinanderbrechens der Europäischen Währungsunion (kurz: EWU). Das könnte potenziell das Ende der europäischen Friedensordnung bedeuten, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat.
Klar ist, dass einzelne europäischen Länder nicht jeweils für sich eigene Antworten auf die genannten strategischen Herausforderungen finden können. Europa hat nur als Ganzes eine Chance, in der globalen Wirtschaft überhaupt eine Rolle zu spielen, die dem bisherigen Selbstverständnis der Europäer entspricht. Eine strategische Antwort auf europäischer Ebene müsste erstens exogene Risiken identifizieren und Maßnahmen für einen konstruktiven Umgang entwickeln und zweitens die Wettbewerbsfähigkeit Europas im globalen Maßstab erhöhen. Damit wird die Frage nach Richtung und Umfang staatlichen Handelns aufgeworfen.
Europa muss sich zwischen China und den USA positionieren
In der Positionierung zu geostrategischen Konflikten – vor allem im Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China – gilt eindeutig das Primat der Politik. Die in jüngerer Zeit von den USA erlassenen Lieferverbote bestimmter Halbleiter sowie der Mittel zu ihrer Fertigung nach China dienen dem geostrategischen Ziel, den Aufstieg Chinas in diesem Bereich zu verhindern oder zumindest zu verzögern – auch wenn das für die USA selbst wie auch für ihre Verbündeten mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Für Europa ist diese Konstellation auch deshalb schwierig, weil europäische Unternehmen mit den USA und China intensive Beziehungen unterhalten. Politisch kann es deshalb nicht darum gehen, Europa von der globalen Arbeitsteilung abzukoppeln und etwa die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu begrenzen. Wohl aber ist die Frage zu beantworten, wie einseitige Abhängigkeiten vermindert werden können und in welchen Bereichen eine eigene europäische Autonomie anzustreben ist.
Um etwa das Risiko von Lieferstörungen bei Halbleitern und dem damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, werden privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich bereits jetzt massiv subventioniert.
Entscheidungen auf der Grundlage derartiger Kalküle zu treffen ist ein sinnvolles Mittel zur Begrenzung von Mitnahmeeffekten seitens privater Investoren. Aktuell fordert beispielsweise Intel für die geplante Investition in Sachsen-Anhalt zusätzlich weitere 3 Milliarden Euro an Subventionen und droht, die Investition sonst in die USA zu verlagern.
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