Investment Business – ein M&G Podcast Flexible Anlagestrategien: „Taktische Allokationen dürften in Zukunft deutlich wichtiger werden!“
Peter Ehlers: Gut. Also, aktuell keine starre Anlagestrategie, sondern flexibel auf Märkte reagieren zu können ist der Ansatz. Aber was heißt das genau? Konnten das diese früheren Strategien nicht? Konnten die nicht flexibel auf irgendwas reagieren, muss man jetzt so eine spezielle Strategie, eine flexible Strategie haben?
Ivan Domjanic: Wie gesagt, flexible Strategien dürften in dem Umfeld, in dem wir uns aktuell bewegen, mehr Vorteile haben, oder könnten ihre Stärken besser ausspielen als in der Vergangenheit. Es gibt dabei aber auch unterschiedliche Flexibilitätsgrade. Übergeordnet kann man unterteilen in klassische Aktienstrategien, Anleihestrategien und Multi-Asset-Strategien. Wobei ich sagen würde, dass Multi-Asset-Strategien wohl am flexibelsten sind, und Aktienstrategien eher am unflexibelsten.
Peter Ehlers: Weil ich bei Multi-Asset die Assetklassen wechseln kann, bei Aktien bin ich halt in Aktien gebunden?
Ivan Domjanic: Ja, genau. Klassische Aktienstrategien sind in der Regel nicht darauf ausgelegt, taktische Cashquoten zu halten. Das heißt, sie sind darauf ausgelegt, nahezu zu 100 Prozent immer in Aktien investiert zu sein. Anders ist es natürlich bei Multi-Asset-Strategien. Die können natürlich in Aktien reingehen und auch aus Aktien wieder rausgehen, die haben also deutlich mehr Flexibilität in den Anlageklassen, die sie auswählen. Bei Anleihestrategien ist es ähnlich. Auch wenn sie sich nur auf den Anleihenmarkt haben Anleihen trotzdem mehrere Stellschrauben, weil der Anleihenmarkt einfach ein sehr diverser Markt ist. Das heißt, dort kann man beispielsweise in defensive Bundesanleihen gehen, Treasuries, Staatsanleihen, die eben einen sehr defensiven Charakter haben, und teilweise dann sogar im Kurs steigen, wenn es eine Krise gibt, weil die Sicherheit dieser Anleihen gesucht wird. Man kann auch in Unternehmensanleihen bis hin zu High-Yield-Anleihen gehen, und da eben stärker ins Risiko gehen. Man kann die Laufzeiten der Anleihen unterschiedlich wählen, also kürzere Laufzeiten oder lange Laufzeiten, auch das hat im Prinzip einen Einfluss. Also, da gibt es deutlich mehr Stellschrauben. Deswegen gibt es auch bei Anleihen Strategien, die durchaus sehr flexibel ausgestaltet sein können.
Peter Ehlers: Flexible Strategien heißt also, dass ich frei bin in meiner Entscheidung und ganz konsequent, also auch individuell reagieren kann auf bestimmte Marktphasen, Marktsituationen und in den einzelnen Assetklassen. Richtig?
Ivan Domjanic: Ja, weitgehend.
Peter Ehlers: Okay. Lass uns doch mal diese Phasen angucken. Wir haben einmal eine Rezessionsphase, die wir als Szenario mal durchgehen sollten, und dann natürlich eine Konjunkturphase. Abschwungphase, Aufschwungphase. Lass uns das mal durchspielen und mit einer Rezession anfangen. Wie sieht es da aus? Kannst du das kurz mal skizzieren?
Ivan Domjanic: Je nachdem, wie so eine Strategie am Ende ausgestaltet ist, könnte man theoretisch auch in einer Rezession oder in einem Bärenmarkt, wie wir es letztes Jahr hatten, letztes Jahr hatten wir keine Rezession aber einen Bärenmarkt in diversen Anlageklassen, auch in solchen Phasen kann man mit einer sehr flexiblen Strategie grundsätzlich positive Renditen erzielen. Das heißt, eine sehr flexible Multi-Asset-Strategie könnte zum Beispiel die Aktienquote komplett runterfahren. Wenn sie noch flexibler ist, könnte sie sogar Schrottpositionen eingehen, also auf fallende Aktienkurse spekulieren, sofern das im Mandat erlaubt ist. Im Falle einer Rezession können Multi-Asset-Strategien, aber auch Anleihestrategien zum Beispiel auch langlaufende Bundesanleihen oder Treasuries kaufen, die sich dann normalerweise positiv entwickeln, weil die Anleger in solchen Phasen eben nach Sicherheit suchen. Und gleichzeitig ist der einfachste Weg ist einfach, indem man riskante Anlageklassen meidet und stattdessen in beispielsweise in Cash geht. Das wäre so die Aufstellung in einem pessimistischen Szenario.
Peter Ehlers: Okay. Aber kann so eine Multi-Asset-Strategie komplett in Cash gehen?
Ivan Domjanic: Kommt darauf an. Es gibt schon sehr flexible Multi-Asset-Strategien, die auch komplett in Cash gehen können. In einem pessimistischen Szenario werden aber die meisten Strategien eher langlaufende Staatsanleihen kaufen, weil man bei Cash weder Kursgewinn noch Kursverlust hat. Bei langlaufenden Staatsanleihen kann man aber während einem Aktiencrash beispielsweise, wenn wirklich Sicherheit gesucht ist, sogar von steigenden Kursgewinnen profitieren. Deswegen werden die meisten Multi-Asset-Strategien, wenn sie sehr pessimistisch sind, wohl eher in langlaufenden Staatsanleihen gehen als in Cash. Aber grundsätzlich können solche Multi-Asset-Strategien natürlich auch Cash als taktisches Instrument wählen.
Peter Ehlers: Okay. Zu den taktischen Elementen, und wie man das für taktische Kursgewinne nutzen kann, kommen wir später noch. Lass uns nochmal bei den Szenarien bleiben. Wie sieht es denn in einer Aufschwungphase aus?
Ivan Domjanic: Da ist es genau andersherum. In einer Aufschwungphase könnte man die Aktienquote hochfahren, man könnte den Anteil von High-Yield-Anleihen erhöhen.
Peter Ehlers: Ganz kurz, High-Yield, das sind Corporate Bonds, also Unternehmensanleihen mit einem gewissen Risiko und dadurch mit höheren Zinsen.
Ivan Domjanic: Genau. Also Unternehmensanleihen mit schwächerer Bonität, die entsprechend ein höheres Risiko haben. Deren Anteil könnte man entsprechend erhöhen im Portfolio. Man könnte auch einfach kürzere Laufzeiten kaufen. Streng genommen könnte man auch innerhalb des Aktienmarktes sich einfach zyklischer aufstellen. Man könnte zum Beispiel Industriewerte kaufen, oder Grundstoffwerte, zyklische Konsumwerte einfach höher gewichten, weil die eben von so einem Aufschwung am stärksten profitieren.
Peter Ehlers: Auch am schnellsten, oder?
Ivan Domjanic: Ja, wie gesagt, da sieht man dann, wenn ein Aufschwung ansteht, sind das tendenziell die Sektoren, die sich dann am besten entwickeln in der Regel. Aber man muss auch ein bisschen aufpassen. Denn in der Praxis ist es dann meistens doch ein bisschen komplizierter als gerade beschrieben. Denn unabhängig vom erwarteten Szenario spielen natürlich auch die Bewertungen eine entscheidende Rolle. Es kann zum Beispiel sein, dass sich die Aktien trotz eines optimistischen Szenarios nicht so toll entwickeln, weil die Bewertungen einfach schon sehr hoch sind. Und andersherum können sich Aktien in einem Szenario mit sehr niedrigem Wirtschaftswachstum durchaus solide entwickeln, weil die Bewertungen vielleicht schon relativ niedrig sind und die Zinsen- und Renditeniveaus insgesamt immer weiter sinken. Gut, im Falle einer wirklich ausgewachsenen Rezession wäre es doch schon ungewöhnlich, wenn sich Aktien am Anfang einer Rezession positiv entwickeln würden, das wäre historisch ungewöhnlich. Entscheidend ist aber grundsätzlich nicht nur die Frage, welches Szenario man erwartet, solche welche Szenarien in den Kursen aktuell bereits eingepreist sind. Das ist das Entscheidende.