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Arbeitsmarkt in den USA und Europa im Vergleich Warum Kurzarbeit nicht der Königsweg ist

Fabrik in Portugal: Autobauer haben in Europa besonders viele Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt.
Fabrik in Portugal: Autobauer haben in Europa besonders viele Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. | Foto: imago images / ZUMA Wire

Der US-amerikanische und der europäische Arbeitsmarkt haben sich im Verlauf der Corona-Krise sehr unterschiedlich entwickelt. Im Zeitraum von Februar bis April stieg die Arbeitslosenquote in der Euroregion lediglich um zehn Basispunkte auf 7,3 Prozent, während die US-Quote um 1.120 Basispunkte auf 14,7 Prozent kletterte. Seither hat sich der Abstand zwar verringert, ist aber nach wie vor beträchtlich: Während die US-Arbeitslosenquote neuesten Zahlen zufolge bis Juli auf 10,2 Prozent zurückging, fiel die Quote in der Eurozone nach den aktuellsten Daten von Mai mit 7,4 Prozent nur geringfügig höher aus als in den Vormonaten.

Beobachter führen die robusten Beschäftigungszahlen in Europa auf die geringere Flexibilität am Arbeitsmarkt zurück. Die strengeren Vorschriften für Einstellungen und Entlassungen, die oft als nachteilig für Unternehmen angesehen werden, könnten nun in der Krise von Vorteil sein. Die Entwicklung ist jedoch unserer Meinung nach vor allem auf die verschiedenen Ansätze zurückzuführen, mit denen Politiker das Haushaltseinkommen der Bevölkerung stützen. Während in den USA die Arbeitslosenhilfe im Fokus stand, hat Europa sich mit dem Kurzarbeitergeld auf den Erhalt der Arbeitsplätze konzentriert. Dabei kommt der Staat bei einer Reduzierung der Arbeitszeit für einen Teil der Gehälter auf.

Während also die USA Menschen unterstützen, die ihre Arbeit verloren haben, und damit dem Markt freien Lauf lassen, stemmt sich Europa mit einer Subventionierung für Unternehmen gegen die Marktkräfte. Welcher Ansatz ist besser?

Blickt man einzig auf die Arbeitslosenzahlen, mutet der europäische Weg effektiver an. Ein direkter Vergleich ist jedoch schwer. So rechnen etwa in den USA viele Menschen ohne Job damit, zu ihren früheren Arbeitgebern zurückzukehren. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Erwartungen der Arbeitnehmer ein guter Indikator für eine tatsächliche Wiedereinstellung sind. Im Juli wurden in den USA neuesten Zahlen zufolge bereits mehr als 1,7 Millionen Stellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen. Die offizielle Arbeitslosenquote in den USA ist im Vergleich zu Europa damit zwar stärker gestiegen, dürfte aber auch schneller wieder zurückgehen, wenn sich die Wirtschaft erholt.

Hinzu kommt, dass die europäischen Kurzarbeitsprogramme teuer sind. Mehrere Länder planen daher bereits, die Regelung im weiteren Jahresverlauf einzuschränken. Das könnte sich auch auf den langfristigen Erfolg auswirken.

Was passiert, wenn Kurzarbeiter-Programme auslaufen?

Eine „potenzielle Arbeitslosenquote“, also eine um die Kurzarbeit bereinigte Kennzahl für die europäische Arbeitslosigkeit, soll zeigen, wie sich die Zahlen in Europa bei Auslauf der Rettungsprogramme entwickeln könnten. Dafür haben wir die Beschäftigten in Kurzarbeit als arbeitslos gezählt.

Den neuesten Daten zufolge befanden sich im Mai 17 Prozent der deutschen, 45 Prozent der französischen, 28 Prozent der italienischen und 13 Prozent der spanischen Erwerbsbevölkerung in Kurzarbeit – im Durchschnitt also 25 Prozent der Beschäftigten der vier größten Euro-Länder. Wird das in die europäische Arbeitslosenquote eingerechnet, steigt der Wert für Mai auf 33 Prozent, verglichen mit rund 15 Prozent in den USA.

Die entscheidende Frage lautet, wie viele Beschäftigte in Kurzarbeit letztendlich arbeitslos werden. Nach unserer Prognose dürfte jeder sechste infolge der krisenbedingten strukturellen Veränderungen – etwa in den Branchen Reisen, Tourismus, Freizeit und Gastgewerbe – über längere Zeit Einschränkungen hinnehmen müssen. Es könnte lange dauern, bis diese Beschäftigten finanziell wieder das Vorkrisenniveau erreichen – sofern es überhaupt gelingt. Trotz der Risiken, die von der zuletzt gestiegenen Covid-19-Ansteckungsquote in den USA ausgehen, könnte der flexiblere und weniger spannungsanfällige US-Arbeitsmarkt daher letztlich besser abschneiden als der europäische.

In Europa sind die geleisteten Arbeitsstunden zudem im Vergleich stärker zurückgegangen: Ihre Anzahl sank um 3,1 Prozent im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal, verglichen mit 0,7 Prozent in den USA. Dies legt nahe, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften in Europa geringer ist – und lässt schwächere Beschäftigungsaussichten für die Zukunft erwarten.