Chefökonom Gerhard Winzer
Wirtschaft nach Corona
Gerhard Winzer ist Chefökonom der österreichischen Fondsgesellschaft Erste Asset Management. Foto: Erste AM
Nach Corona sieht die Finanzwelt anders aus, da sind sich Experten sicher. Gerhard Winzer, Chefökonom bei der Fondsgesellschaft Erste Asset Management, über aktuelle Trends.
Der Blick auf strukturelle Entwicklungen zeigt sich: Die Corona-Pandemie stärkt eher bereits bestehende Trends als dass sie neue schafft.
Ansteigende Staatsverschuldung: Um die möglichen Überwälzungs- und Sekundärrundeneffekte, wie etwa eine Konkurswelle und anhaltend hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen, haben viele Staaten Hilfspakete geschnürt. Für die zweite Phase haben einige Staaten bereits Konjunkturprogramme verlautbart. Die damit einhergehende Ausweitung der Budgetdefizite führt zu einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung. Die OECD rechnet mit einem Anstieg der Staatsschuldenquote auf 137 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für 2020.
Niedrige...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Der Blick auf strukturelle Entwicklungen zeigt sich: Die Corona-Pandemie stärkt eher bereits bestehende Trends als dass sie neue schafft.
Ansteigende Staatsverschuldung: Um die möglichen Überwälzungs- und Sekundärrundeneffekte, wie etwa eine Konkurswelle und anhaltend hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen, haben viele Staaten Hilfspakete geschnürt. Für die zweite Phase haben einige Staaten bereits Konjunkturprogramme verlautbart. Die damit einhergehende Ausweitung der Budgetdefizite führt zu einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung. Die OECD rechnet mit einem Anstieg der Staatsschuldenquote auf 137 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für 2020.
Niedrige Effektivität der Zinspolitik: Als Reaktion auf den Einbruch der Wirtschaft haben viele Zentralbanken den jeweiligen Leitzinssatz gesenkt. Für die entwickelte Welt beträgt der Leitzinssatz nur noch 0 Prozent, für die Emerging Market Economies nur noch 3 Prozent. Das bedeutet zweierlei.A)Die ohnehin geringe Effektivität der Zinspolitik ist weiter gefallen. Zinsen können als Reaktion auf eine Rezession nicht viel mehr gesenkt werden. Es droht das Szenario einer säkularen Stagnation. In diesem Umfeld sind die Zinsen sehr niedrig. Sie müssten dennoch weiter abgesenkt werden, um stimulierend auf die wirtschaftliche Nachfrage zu wirken. Das geht aber nicht, weil das Zinsniveau an eine (theoretische) Untergrenze (Effective Lower Bound) anstößt. Das Ergebnis sind anhaltend niedrige Wachstumsraten beim Bruttoinlandsprodukt, bei der Inflation und bei den Unternehmensgewinnen sowie erhöhte Arbeitslosenraten.B)Die Zinsen haben auch nach oben hin nur einen geringen Spielraum.
Finanzrepression: In der Zusammenschau mit den hohen Staatsschulden können die Zinsen und die Renditen von Staatsanleihen nicht mehr stark ansteigen. Die Staatsschuldendynamik ist so lange nachhaltig, so lange der Zinssatz auf die Staatsschuld unter dem nominellen Wirtschaftswachstum liegt. Für die letzten fünf Jahre liegt diese Schwelle für die entwickelte Welt bei rund 3,5 Prozent. Nötigenfalls können die Zentralbanken einen starken Renditeanstieg mit der Einführung einer Zinsobergrenze verhindern (Yield Curve Control). Immerhin hat davon bereits mit dem Präsidenten der New York Fed, John Williams, ein prominenter Zentralbanker gesprochen.
Zentralbanken kaufen Anleihen: Darüber hinaus haben die großen Zentralbanken die Anleiheankaufsprogramme hochgefahren. Die aggregierte Zentralbankbilanz der G4 ist mittlerweile auf 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angestiegen. Aber auch Zentralbanken in den Emerging Markets haben Kaufprogramme begonnen. Am Anfang der Krise war es die Motivation der Zentralbanken den Finanzmarkt zu beruhigen. Die Nachfrage nach Cash war deutlich angestiegen. Mittlerweile scheint die Hauptmotivation zu sein, das große Emissionsvolumen an (Staats-)anleihen aufzufangen. Theoretisch stellt das keine monetäre Finanzierung der Staatsbudgets dar, solange die Zentralbank die Anleihen wieder verkauft. Das ist jedoch zweifelhaft.
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