Anleiheexperte Jack Holmes
Dauerbrenner Inflation
Jack Holmes ist Anleiheexperte bei der Fondsgesellschaft Artemis Investment Management. Foto: Artemis Investment Management
Wie steuern Notenbanken die Inflation? Und welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends beeinflussen die Preise? Anleiheexperte Jack Holmes von der Investmentgesellschaft Artemis Investment Management gibt Einblicke in die Geldpolitik.
Die Abbildung verdeutlicht, dass es der US-Notenbank nicht gelungen ist, ihr Inflationsziel zu erreichen, obwohl die Geldpolitik seit 2009 im Durchschnitt hochgradig stimulierend war. Der ab September 2009 kumulierte Rückstand der PCE-Inflation gegenüber dem Ziel der Fed beläuft sich auf 5 Prozent.
PCE-Kerninflation von September 2009 bis Oktober 2020 – US-Inflation konstant unter dem Zielwert
Inzwischen scheinen selbst bei der Fed Zweifel hinsichtlich des Inflationsziels zu bestehen. Im aktuellen „Summary of Economic Projections“ (vom 16. Dezember 2020) geht sie davon aus, dass der Median der Fed Funds Rate im Jahr 2023 weiterhin bei 0,1...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Abbildung verdeutlicht, dass es der US-Notenbank nicht gelungen ist, ihr Inflationsziel zu erreichen, obwohl die Geldpolitik seit 2009 im Durchschnitt hochgradig stimulierend war. Der ab September 2009 kumulierte Rückstand der PCE-Inflation gegenüber dem Ziel der Fed beläuft sich auf 5 Prozent.
PCE-Kerninflation von September 2009 bis Oktober 2020 – US-Inflation konstant unter dem Zielwert
Inzwischen scheinen selbst bei der Fed Zweifel hinsichtlich des Inflationsziels zu bestehen. Im aktuellen „Summary of Economic Projections“ (vom 16. Dezember 2020) geht sie davon aus, dass der Median der Fed Funds Rate im Jahr 2023 weiterhin bei 0,1 Prozent (Spanne von 0,1 Prozent bis 1,1 Prozent) liegen wird und damit weit unter dem „neutralen“ Langfrist-Median von 2,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit dürfte der Fed-Projektion zufolge auf 3,7 Prozent (das heißt unter die inflationsstabile Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent) sinken. Für die Inflation wird indes eine nur allmähliche Annäherung an das Ziel von 2 Prozent (innerhalb einer engen Spanne von 1,7 Prozent bis 2,2 Prozent) projiziert. Die Maschinen der Geldpolitik werden also bis auf Weiteres mit voller Kraft laufen, während sich die Inflation – bei überwiegend abwärtsgerichteten Risiken – erst 2023 wieder dem Zielwert nähern wird.
Halten wir uns das Beispiel Japan vor Augen: Wenn die Zentralbank ein bestimmtes Inflationsziel anstrebt, bedeutet das noch lange nicht, dass sie es auch erreichen kann. Der Europäischen Zentralbank (EZB) droht womöglich das gleiche Schicksal wie der BoJ, denn die tatsächliche Inflation im Euroraum liegt mittlerweile dauerhaft unter den gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB-Experten.
Wir sind an einen Punkt angelangt, an dem die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen asymmetrisch ist. Der Grenznutzen einer weiteren geldpolitischen Lockerung geht gegen null bzw. könnte sich sogar ins Negative kehren. Der Nutzen des expansiveren Kurses ist – abgesehen von der Stützung stark inflationierter Vermögenspreise – minimal. Zugleich ist die Verschuldung so hoch, dass selbst ein geringer Anstieg der Zinsen unverhältnismäßige Auswirkungen auf den Verbrauch, die Zahlungsfähigkeit und das Investitionsverhalten hätte. Angesichts dieser Dynamik ist eine „Normalisierung“ des Zinsniveaus nahezu unvorstellbar.
Wir kommen zu dem Schluss, dass die Zentralbanken zwar abwarten und hoffen können, darüber hinaus aber kaum eine Möglichkeit haben, die Nachfrage zu stimulieren, insbesondere weil sie sich nach wie vor starken disinflationären Trends gegenübersehen.
Zahlreiche strukturelle Veränderungen während der vergangenen Jahrzehnte haben zu einer disinflationären Preisentwicklung beigetragen. Diese Faktoren werden nicht einfach wegfallen. Einige haben sich sogar verstärkt.
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