Geldpolitik in der Eurozone Erste Signale für eine Kursänderung?
Die Finanzmärkte in Europa und anderen Teilen der Welt scheinen die jüngsten optimistischen Äußerungen von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), als Signal für ein bevorstehendes Ende der lockeren Geldpolitik im Euroraum zu sehen.
Wir sind hier kritischer und gehen davon aus, dass die Reaktion auf Draghis Äußerungen voreilig sein dürfte. Anleger sollten nicht zu viel in die Worte Draghis hineininterpretieren.
Auch wenn die EZB das Volumen ihrer Anleihenkäufe ab Ende 2017 verringern könnte, rechnen wir nicht mit einer bevorstehenden Änderung der Zinssätze. Eine formale Drosselung der Anleihenkäufe vor Ende 2017 erscheint ebenfalls nicht plausibel: In diesem Fall würden schnell Fragen zum Endpunkt des Anleihen-Kaufprogramm in Höhe von monatlich 60 Milliarden Euro aufkommen.
Draghi-Rede als Auslöser für Spekulationen
Was war passiert? Draghis Äußerungen vom 27. Juni in seiner Eröffnungsrede auf dem EZB-Forum zum Zentralbankwesen in Sintra, Portugal, zeichneten ein optimistisches Bild der Wirtschaft der Eurozone.
Die Märkte nahmen die positive Beurteilung des EZB-Chefs wörtlich und spekulierten auf einen möglichen Schritt hin zur Drosselung der EZB-Anleihenkäufe oder zumindest auf die Festlegung eines Zeitplans für den Ausstieg aus dem Wertpapierkaufprogramm bis Anfang 2018.
In den vier Tagen unmittelbar nach der Rede verteuerte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar um mehr als 2 Prozent. Angeführt von französischen Staatsanleihen kam es bei den Renditen auf Anleihen aus der Eurozone zu einer deutlichen Korrektur und dem stärksten Anstieg seit fast sieben Monaten. In Deutschland legte die Rendite auf zweijährige Bundesanleihen zu, und die Rendite auf zehnjährige Anleihen stieg sogar noch stärker. In der Folge kam es zu einer Versteilerung der Renditekurve.
Nach unserer Auffassung handelt es sich bei der Reaktion des Marktes auf die zuversichtlichen Äußerungen Draghis zur konjunkturellen Entwicklung in der Eurozone um eine Übertreibung.
Inflationszahlen in der Eurozone und in den USA enttäuschen
Zwar waren die jüngsten Konjunkturdaten weitgehend positiv, und die politischen Risiken haben sich nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland deutlich abgeschwächt, doch wir halten die jüngsten Inflationszahlen sowohl in der Eurozone als auch in den USA für enttäuschend.
Überdies sinken am Markt die Inflationserwartungen weiter, unter anderem aufgrund der Verringerung der mittelfristigen Breakeven-Sätze in den vergangenen Wochen.
Daher dürften jegliche Maßnahmen der EZB schrittweise und behutsam erfolgen. In der Tat wird bei Betrachtung von Draghis Rede deutlich, dass er hinsichtlich der Inflation weit weniger optimistisch klang, als es mancher Beobachter auffasste.