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in FinanzberatungLesedauer: 4 Minuten

Haften Versicherer für Aufklärungspflichtverletzungen ihrer Vermittler?

Der Fall: Ein Anleger hatte eine Lebensversicherung bei einer liechtensteinischen Assekuranz abgeschlossen. Deren Vermittler hatte dem Kläger erklärt, dass die Anlage garantiert sei und einen Mindestertrag von 124 Prozent über zehn Jahre abwerfe. Tatsächlich bestand das Risiko eines Totalverlusts, der auch prompt eintrat. Wegen Verletzung der Aufklärungspflicht klagte der Anleger auf Schadenersatz gegen den Versicherer.
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Das Urteil: Das Landgericht Kempten (Allgäu) gab der Klage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer in vollem Umfang statt (Aktenzeichen 12 O 640/11, Urteil vom 20. Oktober 2011). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das meint der Experte
:
Wann und unter welchen Umständen sich Emittenten von Kapitalanlagen oder Versicherungen eine Falschberatung durch Vermittler zurechnen lassen müssen und dafür haften, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur aufgrund einer die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände zu entscheiden (Urteil vom 14. November 2000 – Aktenzeichen XII ZR 336/99).

Im vorliegenden Fall des Landgerichts Kempten hatte das liechtensteinische Versicherungsunternehmen keinerlei persönlichen Kontakt zum Kunden und verfügte in Deutschland über keine Zweigniederlassung. Der Versicherer überließ es daher in Deutschland selbstständigen Vermittlern, mit denen eine Courtagevereinbarung getroffen worden war, die erforderlichen Vertragsverhandlungen bis zur Unterschriftsreife mit potenziellen Kunden zu führen.

Dabei musste auch damit gerechnet werden, dass der Hauptvertrieb Untervermittler einschaltet und diesen die Verhandlung mit den Kunden überlässt. Da bei der angebotenen Lebensversicherung neben der Auswahl der Anlagestrategie auch sonst erheblicher Aufklärungs- und Beratungsbedarf besteht, musste das  Versicherungsunternehmen davon ausgehen, dass den Anträgen auf Abschluss der Lebensversicherung regelmäßig eingehende Gespräche vorausgehen.

Da das Unternehmen das Führen dieser Gespräche – wohl gewollt – selbstständigen Vermittlern überließ, kann es sich nicht seiner Verantwortung für diese Vertragsverhandlungen entziehen und muss über die zivilrechtliche Zurechnung nach Paragraf 278 Bürgerliches Gesetzbuch hierfür bei einer Aufklärungspflichtverletzung gegenüber den Kunden direkt haften.

Die untergerichtliche Rechtsprechung, wann und unter welchen Voraussetzung ein Versicherer für eine Aufklärungspflicht des Vermittlers haftet, ist zwar vielfältig. Tendenziell ist aber festzustellen, dass im Fall eines aufgrund der Komplexität des Produkts geschuldeten hohen Aufklärungs- und Beratungsbedarfs die Rechtsprechung zu einer Haftung der Versicherungsgesellschaft neigt. Die Bärenweisheit vieler Versicherungsunternehmen, „Wasch mir den Pelz, aber
mach mich nicht nass“, greift daher bei juristischer Betrachtung immer weniger.

Zum Autor: Oliver Renner, Kanzlei Rechtsanwälte Wüterich Breucker, ist Fachanwalt für  Bank- und Kapitalmarktrecht.

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