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Schwellenländer-Experte im Interview „Wir erwarten, dass Indiens Unternehmen ihre Gewinne weiter steigern“

Claus Born
Claus Born: „Indien kommt bei der Digitalisierung schneller als Deutschland zur Sache.“ | Foto: Franklin Templeton

DAS INVESTMENT: Herr Born, bitte geben Sie uns doch einen kurzen Überblick über die Wirtschaftskraft Indiens im weltweiten Vergleich.

Claus Born: Derzeit ist Indien die fünftgrößte Volkswirtschaft weltweit. Im Hinblick auf die Kaufkraftparität nimmt die Volkswirtschaft mit ihren 1,4 Milliarden Menschen sogar die drittgrößte Position ein. Den Prognosen zufolge wird Indien noch im laufenden Jahrzehnt die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt – und würde damit Japan und Deutschland abhängen. Die realen Wachstumsraten in den kommenden Jahren dürften sich auf 6 bis 7 Prozent jährlich belaufen.

Welche neuen Wachstumstreiber sehen Sie in Indien?

Born: In den vergangenen Jahren wurde in Indien sehr viel in Infrastruktur investiert. Straßen und Autobahnen wurden gebaut, das Eisenbahnnetz wurde ausgebaut. Jüngst wurde angekündigt, den Flugverkehr in sehr erheblichem Maß zu stärken. Sehr viel wurde auch in den Ausbau des Mobilfunks investiert, die Smartphone-Verbreitung ist in Indien extrem nach oben gegangen. Die digitale Transformation hat sich in den vergangenen Jahren, flankiert von staatlichen Maßnahmen, sehr stark beschleunigt. Indien kommt bei der Digitalisierung schneller als Deutschland zur Sache. So hat Indien eine digitale Identität für jeden Inder und jede Inderin eingeführt. In diesem Zusammenhang wurde für Hunderte Millionen Menschen Zugang zu einem digitalen Bankkonto geschaffen, womit Online-Zahlungen möglich sind und Zugang zu Bankkrediten besteht. Gleichzeitig wurde die Verwaltung modernisiert. Kurz gesagt, die Infrastruktur hat einen riesigen Sprung gemacht.

 

Im Private-Equity-Bereich hat sich derweil eine Start-up-Kultur etabliert. Hier hinkte Indien bislang ungefähr sieben bis acht Jahre China hinterher. Jetzt kommen die ersten dieser Unternehmen an die Börse und es entstehen Chancen, dort auch als ausländischer Geldgeber zu investieren.

Auf welche Sektoren setzt das Franklin Templeton Indien-Team derzeit? Was müssen die Unternehmen mitbringen, die es ins Portfolio schaffen?

Born: Ein ganz wichtiger Bereich ist der Konsum. Das Pro-Kopf-Einkommen steigt. Im städtischen Bereich soll es in den kommenden zwei Jahren 3.000 US-Dollar jährlich übersteigen; eine wichtige Schwelle, ab der nicht länger nur Basiskonsum getätigt, sondern dem diskretionären Konsum gefrönt wird. Wir setzen auf starke Marken mit hohen Marktanteilen. Dabei handelt es sich, etwa im Basiskonsumbereich, um viele Tochterunternehmen von internationalen Unternehmen, die in Indien separat an der Börse notiert sind. Zu nennen wäre der Verbrauchsgüterhersteller Unilever mit einem extrem starken Wettbewerbsvorteil, der das Unternehmen bis in die kleinsten Orte vordringen lässt. Auch der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat ein börsennotiertes Unternehmen in Indien. Diageo, der weltweit führende Spirituosenhersteller, heißt in Indien United Spirits und ist ebenfalls stark vertreten.

Bei Unternehmen mit Bezug zur Infrastruktur haben wir Zementhersteller im Fokus, etwa UltraTech, Indiens führendes Unternehmen in der Herstellung und im Vertrieb von Zement und Baustoffen. Der Mischkonzern Reliance Industries wiederum hat als Raffinerie angefangen, baut aber inzwischen das Mobilfunknetz in Indien aus. Im Jahr 2021 wurde bekannt, dass die indische Reliance-Gruppe T-Mobile Niederlande kaufen wollte, womit sich zeigt, dass Emerging-Market-Unternehmen inzwischen auch auf die entwickelten Märkte drängen.

Was halten Sie von indischen Banken?

Born: Sehr viel. Das Kreditwachstum ist sehr hoch, da insgesamt die Nachfrage nach Bankdienstleistungen noch in einem frühen Stadium steckt. Wir sind nicht in Staatsbanken, sondern in ausschließlich privat geführten Banken investiert. Wir suchen starke Bilanzen, gute Renditen, gutes Wachstum und die Beherrschung von digitalen Technologien, um die Produkte und Dienstleistungen zu vertreiben.

Wie sieht es mit Engagements bei Indiens Software-Giganten aus?

Born: Wir sind in diesem Bereich investiert und halten unter anderem auch viel von der Tata-Gruppe. Ohne die indischen Computerfirmen können wir auch weltweit die Digitalisierung vergessen. Indien hat spektakuläre Manpower zu vertretbaren Kosten. Investiert sind wir auch in indischen Internetunternehmen, aber auch in einem leistungsstarken Lieferdienst-Anbieter. Es gibt auf dem Subkontinent sehr viele interessante Internet-Unternehmen – vor allem auch, weil der Markt vom Entwicklungsstadium noch nicht so weit ist wie andere Länder.