Interview Karl Pilny: „Xi Jinping instrumentalisiert Putin als eine Art Minenhund"
Chinas Machthaber Xi Jinping besuchte vor Kurzem Wladimir Putin in Moskau. Will der chinesische Staatschef mit diesem Besuch seine Unterstützung für Russland demonstrieren, und damit indirekt auch für den Ukrainekrieg? Oder steckt mehr dahinter? Karl Pilny kennt sich wie kaum ein anderer auf dem asiatischen Kontinent aus. Jede Woche analysiert er in seinem Newsletter „Pilnys Asia Insights“ (hier kostenlos registrieren) die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung auf dem wichtigsten Kontinent der Welt.
Im Video-Interview mit Peter Ehlers, Herausgeber von DAS INVESTMENT, spricht Asien-Experte Karl Pilny über das aktuelle Verhältnis von Russland und China, das militärische Wettrüsten im indopazifischen Raum und Deutschlands Stand in der asiatischen Welt.
PETER EHLERS: Xi Jinping hat sich vor Kurzem lange in Moskau aufgehalten und sich dort mit Putin getroffen. Aus einer klassisch-westlichen Sicht wird das so gedeutet, dass sich beide miteinander verbünden. Aber so einfach ist das nicht. Du bist der Meinung, Xi nutzt diese Notsituation Russlands gnadenlos aus. Wie kommst du darauf?
Karl Pilny: Der Besuch ist auf jeden Fall ein starkes Signal an die Außenwelt. Und Xi Jinping versucht etwas sehr Chinesisches: das Sowohl-als-auch. In diesem erstaunlich langen, dreitägigen Staatsbesuch stecken viele Botschaften. Man darf nicht vergessen, kurz zuvor wurde der Haftbefehl für Putin ausgestellt. Das allein hat eine gewisse Signalwirkung. Putin brüstet sich auch damit, dass Xi Jinping dieser Haftbefehl nicht interessiert. Sehr bemerkenswert war auch die Gegen-Einladung für Putin. Nach außen hin wird diese unverbrüchliche, angeblich grenzenlose Freundschaft der beiden zementiert und fortgeschrieben.
Wird sie zementiert oder hat es nur nach außen den Anschein?
Pilny: Die Freundschaft wird nach außen zementiert. Intern gibt es ganz kleine Anzeichen, dass Xi Jinping versucht, sich ein Stück weit von Russland zu distanzieren. Nicht, weil er sich daran stoßen würde, dass Putin als Kriegsverbrecher gilt. Sondern weil Putin ganz klar auf der Verliererstraße ist. Er steht unter enormem Druck. Und nichts hassen die Chinesen mehr als mit Losern assoziiert zu werden.
Putin mag in Xi Jinpings Augen ein Loser sein, aber er bekommt von ihm günstig Rohstoffe und letztendlich verbindet die beiden eine gemeinsame Feindschaft.
Pilny: Man kann schon sagen, dass Xi Jinping Putin instrumentalisiert als eine Art Minenhund, der guckt, wo die Befindlichkeiten des Westens sind. Durch den Überfall zieht Xi eigene Rückschlüsse daraus, was mit einer Taiwan-Invasion passieren würde. Er kann testen, wie entschlossen der Westen ist, wie lange er eine einheitliche Front bildet. Das sind alles sehr wertvolle Informationen für Xi Jinping.
Du bist gut vernetzt mit vielen Größen aus Asien, also Militärattachés, Wirtschaftsattachés, mit Botschaftern. Wie schätzen die die Verbindung Chinas zu Russland ein in Bezug auf die Ukraine? Wie bewerten sie diese komplexe Situation?
Pilny: Die bewerten das differenziert. Im Westen wird das oft schwarz-weiß gemalt. Aber gerade in Asien und in der sogenannten blockfreien Welt, dem globalen Süden, ist die Sache bei Weitem nicht so schwarz-weiß, wie wir sie im Westen sehen. Man muss sich nur die Ergebnisse der UN-Vollversammlungen und deren Abstimmungen anschauen. Vor allem Europa und die USA kooperieren sehr eng.
Aber man darf eines nicht vergessen: China hatte und hat noch immer eine starke Vorbildwirkung und Attraktivität für Staaten in Afrika und der blockfreien Welt. Eben weil China den dritten Weg geht, also Kapitalismus und Sozialismus kombiniert und auch wirtschaftlich erfolgreich scheint. Und deswegen ist es auch wichtig für China, Flagge zu zeigen und Pluspunkte zu sammeln in der blockfreien Welt.