Merger-Experte Kai Lucks
Fusionen fordern Management

Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Fusionen verändern Unternehmen stark und führen oft sogar zum Identitätsverlust. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions, erklärt im zweiten Teil seines Überblicks am Beispiel Siemens, wie es dazu kommt.
Der Unternehmensname wird unterminiert, indem quasi Werbesprüche – etwa Ingenity for Life als Untertitel für das zukünftige Kernsegment oder Healthineers als Konzernname für die Medizintechnik – zu Erkennungszeichen oder Unternehmensmarken erhoben werden. Dass die neuen Namen alle Siemens sind, erkennt der nur flüchtig hinsehende Bürger nicht mehr. Die fließenden Übergänge zwischen Konzernnamen, Markennamen und Werbesprüchen sind diffus – und irritierend.
Die Sichtbarkeit der Marke Siemens verliert sich
Siemens hatte lange versucht, seinen Namen in der breiten Öffentlichkeit sichtbar hoch zu halten und zu verankern. Das lief so lange problemlos wie Siemens unter seinem Namen Konsumgüter...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Der Unternehmensname wird unterminiert, indem quasi Werbesprüche – etwa Ingenity for Life als Untertitel für das zukünftige Kernsegment oder Healthineers als Konzernname für die Medizintechnik – zu Erkennungszeichen oder Unternehmensmarken erhoben werden. Dass die neuen Namen alle Siemens sind, erkennt der nur flüchtig hinsehende Bürger nicht mehr. Die fließenden Übergänge zwischen Konzernnamen, Markennamen und Werbesprüchen sind diffus – und irritierend.
Die Sichtbarkeit der Marke Siemens verliert sich
Siemens hatte lange versucht, seinen Namen in der breiten Öffentlichkeit sichtbar hoch zu halten und zu verankern. Das lief so lange problemlos wie Siemens unter seinem Namen Konsumgüter nicht nur vertrieb, sondern auch noch herstellte. Dies war eines der Hauptargumente weshalb Siemens bis 2015 seine 50-prozentige-Beteiligung an der BSH Bosch-Siemens-Hausgeräte hielt, die dann voll an Bosch ging.
Weiter reichende Haltegründe, außer der Stärkung des Markennamens Siemens auf den Konsumprodukten, gab es kaum. Das schlug sich auch dann nieder, als die BSH entscheidende Übernahmeprojekte, vor allem in den USA verfolgte. Siemens wollte dafür kein Geld geben. So unterblieb das. Ein strategischer Fehler, der danach nicht mehr ausgeglichen werden konnte.
Mit dem Untergang der gesamten Kommunikationsbranche verlor sich der Siemens-Name bei den anderen noch verbliebenen Konsumprodukten, nämlich bei vor allem schnurlosen DECT beziehungsweise mobilen Telefonen. Somit hat der Name Siemens heute nur noch geringe Verankerung in der breiten Öffentlichkeit. Wenn eines Tages die Siemens-Namenslizenz an die nunmehr voll zu Bosch gehörige Weiße-Ware-Tochter BSH entfällt, verschwindet die Marke Siemens bei Konsumprodukten.
Kohärenzkräfte werden geschwächt
Die rhetorische Frage sei erlaubt: Was verbindet die Ex-Siemens-Unternehmen noch? Nicht einmal mehr der Firmenname, aber wohl das Logo auf den Produkten – wie lange noch? Die Sichtbarkeit von Siemens geht langsam verloren, und damit die Identifikation mit dem Konzern. Weitere Zerlegungen und Zersplitterungen werden damit leichter, weil Widerstandskräfte schwinden und damit kann dies zukünftig auch schmerzloser realisiert werden. Zentrifugalkräfte können sich leichter durchsetzen, da die Kohärenzfaktoren geschwächt und die Identität verloren gegangen sind.
Grenzen der Kontrolle
Siemens-Chef Kaeser betont bei seinem Umbauprogramm die Eigenständigkeit der drei Siemens-Aktiengesellschaften über die Verwendung ihrer Finanzmittel – eine Selbstverständlichkeit, die sich aus dem Aktiengesetz ergibt. Er meint damit aber Tiefergehendes: Die Holdingebene wird sich aus Portfolioentscheidungen der operativen AGs heraushalten.
Trade-off-Entscheidungen etwa über die Priorisierung von Großakquisitionen quer über die Siemens-Welt kann es aus der Holding-Ebene dann nicht mehr geben, zumal sie als strategischer Investor nur noch bei den Digital Industries den unbedingten Durchgriff hat, bei Healthineers (85 Prozent) zwar noch eine sogenannte strategische Beteiligung hält und sich damit (weil über 75 Prozent) letztlich gegen die Minderheitsaktionäre durchsetzen kann.
Oil & Gas ist ganz außen vor. Kaeser betont konsequenter Weise, dass die drei Aktiengesellschaften beim weiteren sogenannten Endgame nach eigener Entscheidung und eigenen Mitteln zum Management des Wandel ihrer Branchen aufgefordert sind.
Über den Autor
