Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
So gefährlich ist die EZB-Politik wirklich
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand von Feri sowie Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute. Foto: Feri
Euro-Krise, Energieknappheit, Inflation: Die Wirtschaft steht ordentlich unter Druck. Was die Europäische Zentralbank damit zu tun hat, erklärt Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute.
Dieser enorme Preisschub ist in den letzten 40 Jahren ohne Beispiel und hat viele Bürger – aber auch Politiker und Notenbanker – sehr kalt erwischt. Bezeichnend ist die unrühmliche Rolle der EZB und ihrer Präsidentin Christine Lagarde, die über viele Monate hinweg die außergewöhnliche Inflationsdynamik schlicht ignoriert oder gebetsmühlenhaft als „nur vorübergehend“ bagatellisiert hatten. Lange Zeit veröffentlichte die EZB haltlose Inflationsprognosen, die für 2022 einen Preisanstieg von lediglich rund 3 Prozent unterstellten – trotz stark steigender Energiepreise und einer gleichzeitigen Zunahme anderer preistreibender Faktoren.
Inzwischen muss die EZB-Spitze sich in diesem...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Dieser enorme Preisschub ist in den letzten 40 Jahren ohne Beispiel und hat viele Bürger – aber auch Politiker und Notenbanker – sehr kalt erwischt. Bezeichnend ist die unrühmliche Rolle der EZB und ihrer Präsidentin Christine Lagarde, die über viele Monate hinweg die außergewöhnliche Inflationsdynamik schlicht ignoriert oder gebetsmühlenhaft als „nur vorübergehend“ bagatellisiert hatten. Lange Zeit veröffentlichte die EZB haltlose Inflationsprognosen, die für 2022 einen Preisanstieg von lediglich rund 3 Prozent unterstellten – trotz stark steigender Energiepreise und einer gleichzeitigen Zunahme anderer preistreibender Faktoren.
Inzwischen muss die EZB-Spitze sich in diesem Punkt deutlich korrigieren, allerdings ohne jede Erklärung oder Aufarbeitung der vorherigen Prognosefehler. Um es deutlich auszudrücken: Wenn eine wichtige Institution wie die EZB, die eine Vielzahl hochbezahlter Analysten beschäftigt und deren Hauptfunktion die Kontrolle der Geldwertstabilität sein sollte, sich derart eklatante Fehlprognosen leistet (statt 3 Prozent Inflation knapp 9 Prozent), dann sollten alle Verantwortlichen sehr ernsthaft über ihre Kompetenz und die Qualität ihrer Amtsführung nachdenken.
Doch nichts davon passiert. Stattdessen verbreitet die EZB – ebenso wie die etablierte Politik – weiter das Narrativ, die aktuellen Inflationsschübe seien (mehr oder weniger ausschließlich) dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geschuldet. Putins Drehen an der Öl- und Gasschraube und andere Effekte des Kriegs seien verantwortlich dafür, dass die Inflation in Europa auf immer neue Rekordwerte geklettert ist. Seltsam nur, dass die Inflationsraten bereits Monate vor der russischen Invasion deutlich angestiegen sind. Ebenfalls seltsam, dass viele Marktbeobachter bereits Ende 2021 vor einem starken Inflationsanstieg für 2022 gewarnt hatten. Wie passt das zusammen?
Das Rätsel ist schnell gelöst: Der zentrale Auslöser des aktuellen Inflationsschubs, der ja auch in anderen Ländern zu beobachten ist, liegt vor allem in der ungehemmten monetären Aufblähung der Vorjahre, angetrieben durch massive Geldschöpfung vieler Notenbanken. Speziell in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 wurden in den USA, Großbritannien und der Euro-Zone großvolumige Konjunkturprogramme geschnürt (Umfang oft über 20 Prozent des BIP), die faktisch durch massive Geldschöpfung der jeweiligen Notenbanken finanziert wurden. Dieser Vorgang ist im Kern monetäre Staatsfinanzierung, bekannt auch als „Overt Monetary Financing“ (OMF).
Dazu muss man wissen: OMF ist eines der sichersten Rezepte zur Inflationserzeugung. Denn: Werden Staatsausgaben in großem Umfang mit neu gedrucktem Geld bezahlt, gelangt dieses neue Geld direkt (ohne Umwege und Streuverluste) in den Wirtschaftskreislauf. Je höher der Anteil des OMF an den Gesamtausgaben, umso stärker müssen zwingend auch die Preise im Wirtschaftssystem steigen. Genau dieser Mechanismus wurde vor zwei Jahren aktiviert – nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Großbritannien. Die logische Konsequenz ist seit Mitte 2021 eine scharf ansteigende Inflation in genau diesen Ländern, wie die grafische Auswertung sehr klar verdeutlicht (Abbildung 6).
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