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Tipps vom Rechtsanwalt Was Anwender zu Haftung und Werbung mit DIN 77230 wissen sollten

Claus Rieger ist Geschäftsführer des Zertifizierungsanbieters Zertpro Finanz.
Claus Rieger ist Geschäftsführer des Zertifizierungsanbieters Zertpro Finanz. | Foto: Zertpro Finanz

Nun ist sie endlich da, die DIN-Norm 77230 Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte. Einige Marktteilnehmer aus den Bereichen Banken, Versicherungen, Bildungsdienstleister, Softwarehersteller etc. bereiten sich bereits mit Hochdruck auf die Einführung der Norm vor. Und egal wie der Einzelne zum Aufbau und zu den fachlichen Inhalten der Norm steht – sie verfügt über eine gewisse Strahlkraft und zeigt Wirkung.

Made in Germany, DIN sowie das CE-Zeichen stehen seit Jahrzehnten für Qualität und Sicherheit, und somit liegt es auf der Hand: Die DIN-Norm 77230 verfügt über ein großes Werbepotenzial. Doch Vorsicht, hier gibt es einiges zu beachten! Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) spielt dabei die Hauptrolle und sei an dieser Stelle bereits erwähnt. Zuvor bedarf es aber noch einer kurzen Ausführung zum Inhalt der DIN-Norm 77230 Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte.

Inhalt und Funktion der DIN-Finanzanalyse

Die DIN-Norm 77230 legt das Verfahren zur Durchführung einer Finanzanalyse für einen Privathaushalt fest. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und umfasst auf knapp 80 Seiten die Bereiche:

  • Absicherung (Haftungsrisiken, Risiko aus dem Verlust/der Beschädigung von Hausrat etc.),
  • Vorsorge (Kostenrisiko Krankheit, Arbeitskraftverlust, Altersvorsorge etc.)
  • Vermögensplanung (Aufbau Liquiditätsreserve, Schaffung von Eigenkapital für eine eigengenutzte Immobilie, Ausbildungssparen Kinder, Verschuldung etc.).

Die Finanzanalyse erfolgt unter Berücksichtigung von drei Bedarfsstufen:

  1. Sicherung des finanziellen Grundbedarfs
  2. Erhaltung des Lebensstandards
  3. Verbesserung des Lebensstandards

Bei der Durchführung der Basis-Finanzanalyse werden die relevanten Risiken beziehungsweise Finanzthemen des Haushalts identifiziert und in eine eindeutige Rangfolge gebracht. Danach werden für die relevanten Finanzthemen bedarfsgerechte Orientierungsgrößen (zum Beispiel Soll-Werte) auf Basis der Haushaltsdaten ermittelt und/oder festgelegt. Mit der Erfassung der Ist-Werte (Leistungen und Ansprüche aus bestehenden Versicherungsverträgen, Kapitalanlagen etc.) und dem Abgleich mit den Orientierungsgrößen endet die DIN-Finanzanalyse.

Der Privathaushalt erhält als Ergebnis einen transparenten Überblick über seine finanzielle Situation. Darüber hinaus liefert die Finanzanalyse eine objektive und verständliche Grundlage für eine darauf aufbauende Finanzberatung. Der Text der DIN-Norm 77230 kann zum Preis ab 163,80 Euro inkl. MwSt. beim Deutschen Institut für Normung bestellt werden.

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Rechtliche Einordung von DIN-Normen und Haftungsthematik

Der sicher überragend große Bekanntheitsgrad des Kürzels DIN darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei DIN-Normen nicht um gesetzliche Regelungen handelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) bezeichnet sie vielmehr in ständiger Rechtsprechung als „nur private (...) Regelungen mit Empfehlungscharakter“. Ihre Einhaltung ist daher grundsätzlich freiwillig. Anders ist dies allerdings dann, wenn die Einhaltung von DIN-Normen entweder gesetzlich vorgeschrieben ist oder ausdrücklich oder mittelbar vertraglich vereinbart wird. Mittelbar werden DIN-Normen zur Vertragsgrundlage, wenn beispielsweise für einen Bauvertrag die VOB/B (Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen –Teil B) gilt, die in ihrem Paragraf 1 Abs. 1 S. 2 auf die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen in Teil C verweist, der zahlreiche DIN-Normen für Bauleistungen enthält.

Der einem breiten Publikum sicher geläufigste Anwendungsbereich von DIN-Normen – zumindest vom Hörensagen – ist tatsächlich das Bauwesen. So sind allein hier nach einer Ermittlung der Bundesarchitektenkammer circa 24.000 DIN-Normen relevant.

Die Leistung der an einem Bau Beteiligten (Architekt, Statiker, Handwerker etc.) ist zwar grundsätzlich mangel- und damit beanstandungsfrei, wenn sie den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ entspricht (Paragraf 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B). Allerdings können die sich hieraus ergebenden Anforderungen durchaus auch über die entsprechende DIN-Norm hinausgehen. Dies bedeutet, dass die Einhaltung einer DIN-Norm nicht automatisch zur Mangelfreiheit führt. Hierdurch ändert sich jedoch nichts an der noch immer weitgehenden Anerkennung der DIN-Normen in der technischen Praxis, welche faktisch an die Geltungswirkung von Rechtsnormen heranreichen kann. Ihren wesentlichen Wert können DIN-Normen, auch wenn sie nicht gesetzlich verbindlich oder vertraglich vereinbart sind, nämlich auf der Ebene der Beweislast im Rahmen eines Haftungsprozesses erlangen.

Die baurechtliche Literatur ist zwar uneins darüber ist, wie sich die Einhaltung einer DIN-Norm genau auswirkt:

  • nur Anhaltspunkt dafür, dass die Arbeit den anerkannten Regeln der Technik entspricht
  • Begründung einer tatsächlichen Vermutung, die einem Anscheinsbeweis für die Einhaltung der anerkannten Regeln sehr nahe kommt
  • volle Umkehr der Darlegungs-und Beweislast;
  • volle Beweisvermutung, dass die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden?

Als kleinster gemeinsamer Nenner kann festgehalten werden: