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Urteil des OLG Hamm BU-Ansprüche bei „Raubbau an der eigenen Gesundheit“

Rechtsanwalt Björn Thorben Jöhnke ist Partner der auf Vermittlerrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.
Rechtsanwalt Björn Thorben Jöhnke ist Partner der auf Vermittlerrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. | Foto: Jöhnke & Reichow

Das OLG Hamm musste sich mit Urteil vom 27. April 2018 (Aktenzeichen 20 U 75/17) mit dem Sonderproblem des Raubbaus an der eigenen Gesundheit im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung auseinandersetzen.

Der Sachverhalt

Die Parteien des Rechtsstreits stritten über Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen (SBU sowie BUZ). Zwar wurden mehrere Versicherungen verklagt, im Wesentlichen soll jedoch der Kern der Rechtsfragen angesprochen werden. Der Sachverhalt wird folglich verkürzt dargestellt.

Aus den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ergibt sich ein Anspruch auf BU-Leistungen, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, „voraussichtlich sechs Monate“ ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben. Die anderen Bedingungen des weiteren Versicherungsvertrages enthalten eine entsprechende Regelung zum Eintritt der Berufsunfähigkeit, jedoch mit dem Passus  „voraussichtlich dauernd“ anstelle von „voraussichtlich sechs Monate“.

Die Klägerin trug vor, bis 2008 in einem Unternehmen tätig gewesen zu sein, welches sie von ihrem Vater übernommen hatte. Dabei handelte es sich um eine Unternehmensgruppe mit mehreren Gesellschaften und mehr als 500 Mitarbeitern. Im März 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften eröffnet, am 1. Juli 2008 zudem auch über das Vermögen der Klägerin selbst.

Berufsunfähig wegen Depressionen

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Zum 1. April 2008 beantragte die Klägerin bei sämtlichen beklagten Versicherungen Leistungen aus den BU-Versicherungen, weil sie wegen einer Depressionserkrankung berufsunfähig sei. Es wurde im Rahmen der Leistungsprüfung, federführend durch einen Versicherer, ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin zwar nicht zu einer Ableistung ihres Arbeitsalltages in der Lage sei, dies jedoch eine „normale Reaktion auf den erlittenen Verlust“ (die Insolvenz des Unternehmens) darstelle und daher keinen Krankheitswert im Sinne der jeweiligen Versicherungsbedingungen habe. Die beklagten BU-Versicherungen lehnten daraufhin die Leistungen ab.

Im September 2012 gab der Insolvenzverwalter gegenüber sämtlichen Beklagten sowie auch gegenüber der Klägerin die Ansprüche aus den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen aus dem Insolvenzbeschlag frei, so dass die Klägerin ihre Ansprüche geltend machen konnte.

Die Klägerin trug vor, als Geschäftsführerin durchschnittlich von Montag bis Samstag etwa 14 Stunden täglich, Sonntags etwa sechs bis acht Stunden täglich gearbeitet zu haben. Ihre Aufgaben hätten sich auf die allgemeine Geschäftsführung, das Controlling, den Vertrieb, den Einkauf, die Produktionsüberwachung und das Personalmanagement bezogen. Wegen einer Depression sei sie jedenfalls seit dem 16. März 2008 gesundheitlich nicht mehr in der Lage, diese oder eine andere Tätigkeit auszuüben.

Die rechtliche Würdigung des OLG Hamm

Die Berufung hatte teilweise Erfolg, denn der Senat bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen, da sie den Nachweis erbracht habe, ab dem 16. März 2008 voraussichtlich für sechs Monate berufsunfähig gewesen zu sein. Die Klägerin habe zunächst die konkrete Ausgestaltung ihres Berufs dargelegt und danach als Inhaberin und Geschäftsführerin eine ganz umfassende unternehmensleitende Tätigkeit erbracht. Weiter stützte sich das OLG auf die Einschätzung des medizinischen Sachverständigen, der die ungünstige Prognose von sechs Monaten damit begründete, dass bereits im Oktober 2007 eine medikamentöse Behandlung eingeleitet worden sei, die im März 2008 aber noch zu keiner nachhaltigen Verbesserung geführt habe.

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