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Bankensektor vier Jahre nach Lehman: Sackgasse oder Wiedergeburt?

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Ein enger zusammengerücktes Europa sollte für größere Stabilität und eine verbesserte Transparenz sorgen. Dazu gehört aber auch, dass die Banken ihre Arbeitsweise ändern. In den letzten vier Jahren hat die Krise eine fundamental neue Sicht auf Risiko bewirkt. Frühere Risikomodelle werden als mangelhaft empfunden, sodass neue Modelle mit einem verbesserten Rahmenwerk erforderlich sind. Spanische und italienische Banken werden als Test dafür dienen, wie viel sich verändert hat. Als Reaktion auf das strengere regulatorische Umfeld sahen sich die Banken in Europa zu einer Verkleinerung und Reorganisation ihrer Bilanzen gezwungen – also der Neuordnung ihrer Aktiva und Passiva sowie Senkung des Financial Leverage. Viele Kreditportfolios, insbesondere im Hypothekenbereich, wurden daher verkauft – ebenso nicht strategische Geschäftsfelder wie Flugzeugleasing oder Depotdienstleistungen.

Was die Finanzierung der Realwirtschaft betrifft, wird Europa demnach zunehmend dem Vorbild der USA folgen. Regulatorische Beschränkungen und höhere Eigenkapitalquoten haben die Banken bereits dazu veranlasst, sich aus dem Kreditgeschäft mit Großkonzernen zurückzuziehen und sich stattdessen auf profitablere Segmente wie der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen und Verbraucher zu konzentrieren. Unternehmen, die es sich leisten können, werden sich ihre Finanzierung am Kapitalmarkt beschaffen – ein Service, der von Banken angeboten wird, aber keine Auswirkungen auf die im Rahmen der Bankaufsicht definierte Kapital- und Liquiditätsausstattung der Institute hat. Das ist auch der Grund, warum Banken häufiger dazu übergehen werden, etwa Kfz-Kredite oder Kreditkartenforderungen zu verbriefen.

Wird diese bilanzielle Umgestaltung die Banken in ihrer Fähigkeit beeinträchtigen, die Wirtschaft zu finanzieren? Die Erfahrung in den USA sagt Nein. In Europa lässt sich dies aufgrund der geringen Nachfrage vorläufig noch nicht prognostizieren. Und wird der Rückzug europäischer Banken in den jeweiligen Heimatmarkt Auswirkungen auf die Finanzierung der Weltwirtschaft haben, insbesondere in den Schwellenländern? Bis jetzt zeigen die Daten, dass sich lokale Institute neben US- und japanischen Banken der Finanzierung verschiedener Kredite (z. B. Außenhandel) angenommen haben.

Zurück zu den Wurzeln?

In den letzten 40 Jahren hat der Bankensektor mehrere radikale Veränderungen und Krisen durchlebt, die den aktuellen Problemen ähneln. Bestimmte Trends sind bereits zum Vorschein gekommen: Die regulatorischen Beschränkungen werden zunehmen, und Banken mit einem zu starken Fokus auf Leverage und Eigenhandel werden sich einer Generalüberholung unterziehen müssen, da die höheren Kapitalanforderungen ihr bisheriges Modell hinfällig machen. Dagegen haben traditionellere Wirtschaftsmodelle mit dem Einlagen-/Kreditgeschäft als Kernstrategie einigen Banken geholfen, das Risiko zu reduzieren und eine sehr turbulente Phase zu überstehen. Der Nachteil sind hier jedoch häufig niedrigere Eigenkapitalrenditen. Bei einem derart bedachten Geschäftsgebaren bedarf es daher strengerer operativer Kostenkontrollen. Die Rückbesinnung auf den Kunden – insbesondere den Retailkunden – gibt Banken die Möglichkeit, sich neu zu erfinden. Der aktuelle Trend zu Finanzdienstleistungen per Mobiltelefon zeigt, dass auch Technik neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen sollte. Die Kreditvergabe wird immer ein riskantes Geschäft sein, doch unabhängig von den regulatorischen Veränderungen sind sich die Banken mittlerweile voll und ganz bewusst, dass ein exzessiver Leverage gefährlich ist.
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