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Finanzbranche reagiert auf Plan der Ampel-Koalitionäre „Blick nach England sollte vor Provisionsverbot warnen“

Bundeskanzleramt in Berlin
Bundeskanzleramt in Berlin: Die Ampelkoalitionäre in spe denken über ein allgemeines Provisionsverbot nach. | Foto: Pexels

Die Ampel-Koalitionäre in spe, SPD, FDP und die Grünen, diskutieren offenbar über eine Pflicht zur Honorarberatung im Finanz- und Versicherungsvertrieb. Laut einem Bericht des Handelsblatts heißt es in einem Dokument der Arbeitsgruppe Finanzen: „Wir werden die provisionsbasierte Beratung von Kleinanlegern schrittweise vollständig durch unabhängige Honorarberatung ersetzen und setzen uns auch im EU-Finanzmarktrecht für ein Ende der Provisionsberatung ein.“

Für große Teile der Finanzbranche sind entsprechende Pläne ein rotes Tuch. Denn flächendeckende Honorarberatung bedeutet gleichzeitig: Es soll ein Provisionsverbot kommen. Ein solches ist in den vergangenen Jahren zwar immer mal wieder im Gespräch gewesen. Durchsetzen konnte sich die Idee allerdings nicht. Auch die europäische Richtlinie Mifid II hat ein Provisionsverbot bislang ausgeklammert.

Vermittler wären auf Honorare angewiesen

Unter einem generellen Provisionsverbot, wie man es laut der Formulierung der Arbeitsgruppe Finanzen offenbar andenkt, könnten Finanzvermittler ihre Vermittlungs- und Beratungsleistung generell nicht mehr durch die produktgebenden Gesellschaften, also Fondsgesellschaften und Versicherer, vergüten lassen. Es dürfte weder eine Abschlussprovision direkt beim Verkauf noch eine Bestandsprovision während der weiteren Vertragslaufzeit an den Vermittler fließen. Stattdessen wären die Berater vergütungstechnisch auf Honorare angewiesen, die sie mit ihren Kunden vereinbaren müssten.

Dasselbe würde vermutlich auch für Versicherungsvermittler gelten. Hier war in der vergangenen Legislaturperiode zumindest eine Deckelung der Vermittlerprovision bei Lebensversicherungen im Gespräch gewesen. Die Pläne der Großen Koalition waren allerdings im Sande verlaufen. Durchsetzen konnte sich allein der Provisionsdeckel bei Restschuldversicherungen, der seit vergangenem Juli wirksam ist.

Mit den neuen Plänen der zukünftigen Regierung könnte das größere Thema Provisionsverbot für den gesamten Finanz- und Versicherungsvertrieb jetzt also wieder an Fahrt gewinnen.

BVI warnt vor Folgen eines Provisionsverbots

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Beim deutschen Fondsverband BVI hat man bereits deutlich Stellung bezogen: Verbraucher könnten doch bereits heute zwischen Provisions- und Honorarberatung wählen, gibt Hauptgeschäftsführer Thomas Richter zu bedenken. „Allerdings sind nur wenige bereit, für Beratung extra zu bezahlen.“ Richter führt auch ein Negativbeispiel an: „Ein Blick zum Beispiel nach England sollte vor einem Provisionsverbot warnen. Denn dort sind zwischenzeitlich breite Kreise der Bevölkerung von der Beratung abgeschnitten.“

Seit Anfang 2013 herrscht im Vereinigten Königreich ein Provisionsverbot in der Vermittlung von Altersvorsorgeprodukten. Es heißt, dass sich seither nur noch begüterte Menschen eine Finanzberatung leisten könnten. Alle anderen dortigen Verbraucher seien auf standardisierte Angebote wie Online-Plattformen angewiesen.

Der Vergütung über Provisionen haftet der Ruf an, dass Vermittler unter diesem Modell vor allem solche Produkte verkauften, die ihnen selbst viel einbrächten – und weniger auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschiten sind. Auch hiesige Verbraucherschützer wie der Verbraucherzentrale Bundesverband oder der Verein Bürgerbewegung Finanzwende vertreten diesen Standpunkt. Auf der anderen Seite, der Seite der Provisions-Befürworter, heißt es wiederum, dass ein flächendeckendes Angebot an Finanzberatung nur über Provisionen aufrechtzuerhalten sei. Kunden nähmen die Beratungsleistung als einen kostenlosen Service wahr. Nur wenige seien bereit oder hätten überhaupt die Mittel, dafür zu zahlen.            

Ins selbe Horn stieß vor wenigen Tagen der Dachverband der deutschen Sparkassen DSGV. Dort warnte Präsident Helmut Schleweis laut einem Bericht des Spiegel: „Wenn ein Kleinanleger für eine Erstberatung von zwei Stunden erst einmal die tatsächlichen Kosten von durchschnittlich 360 Euro als Honorar auf den Tisch legen muss, nehmen die meisten keinerlei Beratung mehr in Anspruch“. Der DSGV-Präsident plädiert für ein Weiterbestehen eines „solidarischen Finanzierungsmodells“ in der Beratung: Kleinanleger zahlen weniger, Großanleger dafür mehr. Über Provisionen lasse sich das regeln.