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Corona-Krise zeigt Vermittler schwächeln beim digitalen Vertrieb

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Kein Gegensatz mehr

Es wäre meines Erachtens ein Fehler, an dem Glauben festzuhalten, dass der digitale und der personengebundene Vertrieb einen unüberwindbaren Gegensatz darstellen. Selbst wenn Kunden einen persönlichen Berater bevorzugen, können große Teile ihrer Kundenreise digitalisiert werden. Denn Verbraucher erwarten bei einigen Anliegen einen realen Betreuer, in anderen Fällen digitale Kanäle.

Dennoch reicht eine bunte Mischung an Kundenkontaktpunkten allein nicht aus: Untersuchungen zeigen, dass Kunden in diesem Falle sogar weniger zufrieden sind als bei einem simplen Ein-Kanal-Ansatz. Wenn die einzelnen Kanäle nämlich nicht aufeinander abgestimmt sind, ermöglichen sie keine nahtlose Customer Journey. Dieser Begriff aus dem Marketing bezeichnet die Schritte des Kunden vom ersten Kontakt bis zum Abschluss des Vertrages. Sie sollten möglichst ohne zeit- und nervenraubende Medienbrüche aufeinanderfolgen.

Eine Studie der Harvard Business School hat herausgearbeitet, dass der überhastete Einsatz digitaler Kanäle sowohl die Zahl der Interaktionen als auch die Kosten hierfür erhöht. Das bedeutet: Kunden über digitale Kanäle zu bedienen, ist teurer, wenn der Service nicht korrekt in die gesamte Architektur der Customer Journey eingebettet ist. Kunden, die auf eine Auswahl verschiedener Kanäle stoßen, geben oft einen Prozess in dem einen Kanal auf und hoffen, ihn in einem anderen beenden zu können. Falls sie diese Option nicht haben, verschwenden sie unnötig Zeit, da sie alle Informationen ein zweites Mal angeben müssen. Das frustriert.

Deshalb kann eine simple Mehrkanalstrategie sogar kontraproduktiv wirken. Auf dieses Phänomen ist die geringe Akzeptanz digitaler Kanäle in Deutschland zum Teil zurückzuführen. Die meisten deutschen Versicherer haben noch keine Antwort darauf gefunden, wie sie von der Digitalisierung profitieren. Daher handelt es sich bei so gut wie allen digitalen Initiativen um Einzelmaßnahmen. Es fehlt eine zusammenhängende digitale Vision.

In der Folge werden digitale Initiativen mit einem festen Budget durchgeführt, was die mittelmäßigen Ergebnisse noch verschlimmert. Damit die Digitalisierung für die deutschen Versicherer greifbare Vorteile bringt, muss sie auf eine klare, kundenorientierte Strategie ausgerichtet sein. Den IT-Abteilungen waren dafür viel zu lange die Hände gebunden, weil sie viel Aufwand in die Aufrechterhaltung des „Business as usual“ stecken mussten.

Die meisten Versicherer haben bereits eine Reihe digitaler Kanäle für Vertrieb und Service eingeführt, aber zwei Drittel der Kontaktpunkte sind nur mittelmäßig oder gering digitalisiert. In den Anfängen der Digitalisierung war eine reibungslose Kundenreise durch diese Kanäle noch vorstellbar. Für die drei Kanäle persönlicher Vertrieb, Call-Center und Direktvertrieb waren nur drei Umschaltungen zwischen den Kanälen möglich. Das war überschaubar.

Aber die Landschaft wird immer komplexer. Für einen Versicherer mit drei physischen Kanälen, zwei Direktlösungen, einem Call-Center-Portal und einer mobilen App wächst die Anzahl der möglichen Kanalwechsel auf 21. Die Pflege einer so komplexen Landschaft ist unmöglich. Doch die Zahl der Kanäle wird mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmen. Und die Einführung nicht integrierter Kanäle kann wie oben beschrieben kontraproduktiv sein. Daher besteht der einzige Weg für die Versicherer darin, eine gemeinsame Basis für alle Kanäle zu schaffen: Eine Plattform, die das Traditionelle mit dem Digitalen verbindet.

Das ermöglicht es nicht nur, eine nahtlose Kundenreise sicherzustellen, bei der eine Vielzahl von physischen und digitalen Kanälen miteinander verzahnt ist. Es führt auch zu zufriedeneren Kunden, höheren Konversionsraten, besserem Cross-Selling und steigenden Umsätzen. Der Aufbau von guten und soliden Kundenbeziehungen ist ebenso wichtig, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Kundenloyalität ist praktisch unbezahlbar.

Berechnungen zufolge kann es um ein Vielfaches kostspieliger sein, einen neuen Kunden zu gewinnen als einen bestehenden zu halten. Andererseits sind die Verbraucher häufig bereit, den Versicherer zu wechseln, weil sie im Kontakt mit ihrem Anbieter möglicherweise Unannehmlichkeiten erleben. Dies ist umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass ein durchschnittlicher Kunde seinen Versicherer in der Regel einige Male im Jahr kontaktiert.

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