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Anlage-Experten kontern ETF-Kritik Die Legende vom hohen Marktanteil passiver Investments

Händler an der New Yorker Börse
Händler an der New Yorker Börse: Trading ist längst nicht mehr nur den Profis vorbehalten – das Handelsvolumen passiver Fonds ist dennoch vergleichsweise gering, sagen Gerd Kommer und Praval Kapoor. | Foto: Imago Images / Xinhua

Indexfonds wurden vor 52 Jahren erfunden, ETFs – eine Variante von Indexfonds – vor 31 Jahren. Seitdem stehen die passiven Fonds in der Kritik. In den letzten Jahren hat die Lautstärke dieser Kritik zugenommen und erreicht inzwischen manchmal ein bizarr schrilles Volumen. Das zeigen die folgenden fünf Zitate aus Veröffentlichungen von Indexing-Kritikern:

  • Warum passives Investieren schlimmer ist als Marxismus – Titel eines Research-Memos des amerikanischen Aktienhändlers Sanford Bernstein im August 2016
  • The love of index funds is terrible for our economy – Überschrift eines Artikels auf dem US-Finanzportal MarketWatch vom 10.12.2018
  • Passives Investieren ist ein riesiges Macht- und damit auch Kartellproblem, das die Marktwirtschaft, vielleicht sogar die Demokratie bedrohen kannBert Flossbach, Chef des größten bankunabhängigen Vermögensverwalters in Deutschland, Flossbach von Storch, in einem Interview im Februar 2018
  • On a societal basis, indexing is potentially disastrous – Michael Green, Portfolio Manager beim amerikanischen Vermögensverwalter Simplify Asset Management in einem Interview im Juli 2021
  • I believe Passive Investing is the most massive misallocation of capital in the history of mankindCathie Wood, amerikanische (Technologie-)Fonds-Managerin in einem Interview im März 2022

Mit den 18 gängigsten Anti-Indexing- (oder Anti-ETF)-Argumenten haben wir uns schon in einem Blog-Beitrag im August 2017 beschäftigt. Wie der damalige Blog-Beitrag zeigt, lässt sich die meiste Indexing-Kritik mit ein bisschen Sachlogik, mit historischen Daten oder mit Belegen aus Untersuchungen von unabhängigen Wissenschaftlern oder Aufsichtsbehörden leicht widerlegen.

Im vorliegenden Beitrag wollen wir auf ein einzelnes aus diesen 18 Anti-Indexfonds-Argumenten näher eingehen – auf dasjenige, das hinter den oben aufgeführten heftigen Zitaten steckt. Seine Widerlegung braucht etwas mehr Platz als die der anderen 17 Argumente.

In unseren Worten zusammengefasst lautet dieses Anti-Indexing-Argument ungefähr so:

Indexfonds (darunter ETFs) haben mittlerweile einen Marktanteil von [40 Prozent]. Weil der Anteil passiven Investierens so hoch ist, schwächt er zunehmend die Preisfindungsfunktion (engl. Price Discovery Mechanism) des Kapitalmarktes und untergräbt dadurch den Beitrag der Börsen zur volkswirtschaftlichen Kapitalallokationsfunktion.

Die oben in eckige Klammern gesetzte Prozentzahl für den Passiv-Marktanteil schwankt je nach Medienartikel und Kritiker. Sie bewegt sich typischerweise in einer Bandbreite von 20 bis 50 Prozent. Schon diese Uneinheitlichkeit deutet darauf hin, dass die Berechnung des Marktanteils von Passiv offenbar gar nicht so einfach oder so eindeutig ist.

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Wir werden im Folgenden zeigen, dass die besagten Prozentwerte dramatisch überzogen sind. Tatsächlich bewegt sich der globale Marktanteil passiven Investierens eher in einer Größenordnung von drei bis fünf Prozent, vielleicht sogar unter zwei Prozent – und das 50 Jahre nach der Erfindung des ersten Indexfonds im Jahr 1971.

Im Rest dieses Artikels leiten wir her, wie die falschen 20 bis 50 Prozent zustande kommen, die im Kontext der angeblichen ETF-Blase oder Indexing Bubble immer wieder genannt werden, und warum die Größenordnung unter fünf Prozent wahrscheinlich näher an der Wahrheit liegt.

Wie ist Passiv investieren" überhaupt definiert?

Zunächst noch eine begriffliche Klärung, die für das Verständnis des nachfolgenden Datenmaterials essenziell ist: Passiv investieren – um dessen globalen Marktanteil es hier ja geht – ist definiert als Investieren mit breit diversifizierten Indexfonds (ETFs oder klassischen, nicht börsengehandelten Indexfonds) auf Buy-and-Hold-Basis.

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