Interview Henning Gebhardt: „Unsere Arbeit war früher inhaltlich vielleicht weniger fundiert“
DAS INVESTMENT: Herr Gebhardt, Sie arbeiten seit bald 30 Jahren in der Fonds-Branche. Auf Twitter schreiben Sie leidenschaftlich über Basketball. Was haben Basketball und Fondsmanagement gemeinsam?
Henning Gebhardt: Basketball ist ein leistungsorientierter Sport, in dem es immer wieder Phasen gibt, wo man ziemlich unter Druck steht. So ist es auch im Fondsmanagement. Und beides gelingt nur im Team. Ich bin der Meinung, dass man im Fondsmanagement Sparringspartner braucht. Dann kommen bessere Entscheidungen zustande.
Wie groß sind Sie?
Gebhardt: 1,80 Meter. Damit hat es für viele Positionen im Basketball leider nicht gereicht. Ich war immer Aufbauspieler. Ich hatte den Ball in der Hand und musste dirigieren.
Das ist dem Alltag eines Fondsmanagers ja ziemlich ähnlich, oder?
Gebhardt: Im Endeffekt schon. Basketball ist eine schnelle Sportart, man fällt...
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DAS INVESTMENT: Herr Gebhardt, Sie arbeiten seit bald 30 Jahren in der Fonds-Branche. Auf Twitter schreiben Sie leidenschaftlich über Basketball. Was haben Basketball und Fondsmanagement gemeinsam?
Henning Gebhardt: Basketball ist ein leistungsorientierter Sport, in dem es immer wieder Phasen gibt, wo man ziemlich unter Druck steht. So ist es auch im Fondsmanagement. Und beides gelingt nur im Team. Ich bin der Meinung, dass man im Fondsmanagement Sparringspartner braucht. Dann kommen bessere Entscheidungen zustande.
Wie groß sind Sie?
Gebhardt: 1,80 Meter. Damit hat es für viele Positionen im Basketball leider nicht gereicht. Ich war immer Aufbauspieler. Ich hatte den Ball in der Hand und musste dirigieren.
Das ist dem Alltag eines Fondsmanagers ja ziemlich ähnlich, oder?
Gebhardt: Im Endeffekt schon. Basketball ist eine schnelle Sportart, man fällt viele Entscheidungen in kurzer Zeit. Das geht hin und her, man kommt unter Druck. Mal läuft es gut, mal nicht so. Es gibt viele Parallelen zum Fondsmanagement. Beim Basketball müssen Spieler harmonieren, beim Fondsmanagement zum Beispiel Aktien. Die wichtigste Lektion war, dass ich früh mit Leistungsdruck umgehen konnte. Der ist in der Branche enorm. Ein Portfolio zu managen ist ein sehr schöner Job, aber auch ein sehr verzehrender.
Was ist das Beste am Job?
Gebhardt: Als Analyst schreibt man eine Empfehlung, doch was daraus wird, weiß man am Ende nicht. Als Fondsmanager fällt man am Ende die Entscheidungen. Das finde ich bis heute reizvoll.
Das scheuen die meisten Menschen.
Gebhardt: Das stimmt. Aber es gibt ja zum Glück unterschiedliche Typen. Ich wollte immer Verantwortung übernehmen.
Sie haben eben das Thema Geschwindigkeit erwähnt. Wie haben Sie den Wandel in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten erlebt?
Gebhardt: Das Wissen ist heute anders verteilt als früher. Durch den Einzug des Internets und des Smartphones kommt man jederzeit an Informationen. Wie schnelllebig die Welt geworden ist, zeigt sich daran, dass heute in drei Tagen eine Bank kollabieren kann. Das war früher unvorstellbar. Als ich in dem Job angefangen habe, hat man noch Broschüren bei den Kollegen herumgereicht, Research-Material war damals rar und wertvoll. Die Welt war langsamer, und vielleicht war das, was wir früher gemacht haben, inhaltlich auch weniger fundiert. Denn damals war derjenige im Vorteil, der sich gute Informationen besorgen konnte.
Worauf kommt es heute im Fondsmanagement an?
Gebhardt: Heute ist das Gegenteil der Fall, wir leben in einem totalen News-Overflow. Es geht darum, Komplexität zu reduzieren. Man muss immer das Big Picture im Blick haben und darf sich nicht von dem ganzen Kleinkram ablenken lassen. Und man muss seiner Linie mehr denn je treu bleiben – auch in Phasen, in denen es mal nicht gut läuft.
Wie bleiben Sie auf dem neuesten Stand?
Gebhardt: Meine Frau würde sagen: Ich bin den ganzen Tag am Smartphone. Meine Bildschirmzeit am iPhone ist deutlich zu hoch. Ich verfolge ständig den Nachrichtenstrom. Und das ist nicht schön, denn wenn wir ehrlich sind, haben wir im Moment ja fast nur schlechte Nachrichten. Das macht schon was mit einem auf Dauer.
Sie haben bei der DWS in der Spitze 100 Milliarden verantwortet. Das war doch ein immenser Druck, oder?
Gebhardt: Damit lernt man umzugehen. Aber dieser Druck im Job geht nicht spurlos an einem vorbei. Viele Portfoliomanager leiden irgendwann unter Folgen wie zu hohen Cholesterinwerten oder Tinnitus. Ich bin davon bislang zum Glück verschont geblieben. Aber auch ich hatte eine Phase, die ich beinahe unerträglich fand. Ich brauchte ein Ventil, deshalb habe ich mit Golfspielen angefangen.
Ist der Sport ihr Druckausgleich?
Gebhardt: Man ist in der freien Natur und schaut hoffentlich nicht so viel aufs Smartphone. Das macht den Kopf frei.
Wie sieht Ihr Alltag heute aus? Nach ihrer Zeit bei der DWS und Berenberg haben Sie sich mit Hollyhedge Consult selbstständig gemacht.
Gebhardt: Im Gegensatz zu meiner Zeit bei der DWS und Berenberg verschwende ich keine Zeit mehr mit endlosen Meetings und muss mir um die interne Hauspolitik keine Gedanken mehr machen. Man darf nicht unterschätzen, dass der Tag in großen Organisationen gerne mit Abstimmungs-Meetings gefüllt wird. Das wird sehr schnell sehr zeitraubend. Und die Zeit, die man für das Portfolio braucht, muss man sich am Ende woanders holen. Heute kann ich meine Zeit völlig frei einteilen. Wenn ich möchte, kann ich den ganzen Samstag arbeiten, aber dafür auch mal den Donnerstag freinehmen.
Ihr Büro ist in Frankfurt, aber Sie sind viel unterwegs.
Gebhardt: Ich arbeite von überall. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Infrastruktur verändert. Ein Portfolio kann ich von überall managen.
Wir haben jetzt viel zurückgeblickt. Schauen wir nach vorne: Was sind die größten Herausforderungen für die Fondsindustrie?
Gebhardt: Das werden die ähnlichen bleiben, die wir in der Vergangenheit hatten. Die Industrie ist sehr breit, es gibt unglaublich viele Produkte. Es wird schwerer, sich abzuheben. Der Anspruch an die Produktqualität ist deshalb hoch, und diese zu gewährleisten ist nicht einfach.
Wie sieht es bei der Regulierung aus, wird diese noch strenger ausfallen?
Gebhardt: Ich bin ein großer Kritiker der Regulierung geworden. Ich frage mich bei immer mehr Maßnahmen, was eigentlich der Zweck des Ganzen ist. Mit immer mehr Regeln machen wir uns nur träge, bezahlen muss das am Ende der Kunde. Fondsprodukte könnten deutlich günstiger sein, auch in der Art und Weise wie sie abgewickelt werden. Da bräuchte es aber einige Veränderungen in der Industrie.
Dabei ist Regulierung per se nichts Schlechtes.
Gebhardt: Schauen wir uns mal die Beratungsprotokolle an. Die sind mehr als 100 Seiten lang, aber kaum jemand liest die. Am Ende werden die nur noch unterschrieben. Die dienen nicht dazu, dass der Kunde am Ende besser abgesichert ist, sondern der Berater. Ähnlich ist es bei ESG: Es gibt ESG-Reportings auf Unternehmensebene, in den Geschäftsberichten, bei den Fondsgesellschaften. Das ist hochkomplex, es fehlt jedoch an klaren Vorgaben, Definitionen und Zielen. Plakativ sieht man das an der Frage ob und wie Rüstungsherstellern Kapital zur Verfügung gestellt werden kann. Das müsste man alles mal wieder ausmisten und sich fragen, ob man da noch in die richtige Richtung läuft.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Gebhardt: Ich bin beispielsweise ein Kritiker von Mifid II. Research wurde früher kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich glaube nicht, dass jemand was davon hat, das jetzt dafür bezahlt werden muss. Kleinere Portfoliomanager haben nun im Zweifel viel weniger Informationen, was zu schlechteren Entscheidungen führen kann. Gerade Research auf kleinere Unternehmen gibt es kaum noch. Das hat auch Auswirkungen auf die Liquidität am Markt und ist negativ für den Kapitalmarkt. Damit konterkariert Brüssel die Absichten der Kapitalmarktunion.
Die Altersvorsorge mit Aktien kommt in Deutschland nur sehr schleppend voran.
Gebhardt: Seit mehreren Legislaturperioden steht im Koalitionsvertrag, dass die dritte Säule der Altersvorsorge gestärkt werden soll. Und jedes Mal fällt das hinten runter. Das macht mich schon sehr traurig.
Die Wahrheit ist doch: Das Bundesfinanzministerium hat die Attraktivität, in Aktien zu sparen, in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.
Gebhardt: Das ist ein Trauerspiel, aber wir kämpfen weiter. Damit wenigstens Generation meiner Kinder die Chance hat, eine vernünftige dritte Säule zu bekommen. Denn wir wissen alle, dass wir ein demografisches Problem haben. Das unser Rentensystem irgendwann ins Wackeln kommt. Wir fahren sehenden Auges gegen die Wand. In Deutschland gibt es leider keine große Lobby für Aktiensparen und Unternehmertum. Aber ich bleibe am Ball. Steter Tropfen höhlt den Stein.
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