Krisenherd Krim Wie umfangreich sind die Auswirkungen auf die Börse?
Arndt Kussmann, Leiter Finanzanalyse der Quirin Bank:
Unsicherheit, speziell die Ungewissheit, ob eine geopolitische Krise eskaliert, ist grundsätzlich Gift für die Aktienmärkte und führt in aller Regel zu höheren Kursschwankungen.
Die aktuelle Krim-Krise strahlt aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland vor allem auf den deutschen Aktienmarkt negativ aus. Im Umkehrschluss: Je näher eine diplomatische Lösung rückt, desto befreiender wirkt dies auf die Börse.
Die latente Kriegsgefahr stellt freilich nicht das einzige Risiko für Dax und Co dar. In diesem Aktienjahr dürfte der Gewinnentwicklung der Unternehmen eine erhöhte Bedeutung zukommen, da der jüngsten – stark liquiditätsgetriebenen – Hausse vor allem eine Bewertungsexpansion zugrunde liegt und nicht stark gestiegene Unternehmensgewinne. Werden die Gewinnerwartungen nicht erfüllt, drohen Kursrücksetzer.
Gold ist in der Regel ein klassischer Profiteur von erhöhter Unsicherheit der Börsianer. Die jüngsten russischen Drohgebärden mündeten allerdings nur in leicht anziehende Goldnotierungen, was auf den ersten Blick überrascht.
Die Schlussfolgerung: Die Marktteilnehmer gehen derzeit offenbar von einer diplomatischen Lösung aus, was im Übrigen auch die mittlerweile stabilisierte Aktienmarktentwicklung widerspiegelt. Das ist beachtenswert, denn nicht selten bewahrheitet sich das Bonmot „Der Markt hat immer recht“.
Der Ölpreis ist von der Krim-Krise bis dato weniger betroffen. Zwar gibt es durchaus Sorgen angesichts der hohen Bedeutung Russlands als Ölexporteur – Sanktionen, die die russischen Ölausfuhren betreffen, sind aber eher unwahrscheinlich, da sich die Abnehmerländer nur schwerlich auf einheitliche Restriktionen einigen dürften.
Unterm Strich sollten die Anleger eine ruhige Hand behalten und nicht in unnötige Hektik verfallen. Auch wenn eine diplomatische Einigung noch vor einigen Hürden steht, so ist doch klar, dass Russland wie auch der Westen von etwaigen Sanktionen stark betroffen wäre.
Daher ist es im Interesse der Konfliktparteien, möglichst schnell eine dauerhafte Entspannung zu erreichen. Das Szenario der Eskalation hat also nur eine kleine Wahrscheinlichkeit – wenn es auch derzeit niemand ganz ausschließen will. Zudem sind mit dem Niedrigzinsumfeld und der anhaltend üppigen Liquidität zwei wichtige Stützpfeiler für die Aktienmärkte weiter intakt.
Christoph Leichtweiß, Finanzplaner bei der YPOS Consulting:
Die Börse spiegelt menschliche Emotionen in kurzen Zeitabständen mitunter sehr stark. Auch wenn alle logischen Argumente gegen eine Eskalation der Situation in der Ukraine sprachen, übernahm besonders am Montag zunächst einmal die Angst das Ruder.
Aktuell ist es, genau wie am Montag, immer noch unwahrscheinlich, dass sich aus der ohne Zweifel schwierigen Situation in der Ukraine eine internationale Krise entwickelt, die die globalen Kapitalmärkte dauerhaft schädigt. Natürlich besteht ein Restrisiko, dass die Situation eskaliert, doch die Wahrscheinlichkeit ist gering.
Betrachtet man etwa die Entwicklung des Rubels, wird deutlich, dass die Währungsschwäche nicht durch die aktuelle Krise ausgelöst, sondern lediglich verstärkt wurde. Die Schlagzeilen versperren häufig den Blick auf die strukturellen Themen.
Anleger sollten sich durch die aktuellen Nachrichten nicht von ihrer langfristigen Anlagestrategie abbringen lassen.
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