IW-Experte Michael Voigtländer
Jede dritte Familie in Großstädten lebt in zu kleiner Wohnung
Michael Voigtländer leitet den Bereich globale und regionale Märkte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Foto: Institut der deutschen Wirtschaft
Mietwohnungen sind in deutschen Großstädten teuer und knapp. Viele Familien und Menschen mit Migrationshintergrund leben deshalb auf zu wenig Raum.
Das Gegenstück zu Haushalten in zu beengten Wohnungen sind solche, die in sehr großzügigen Wohnungen leben. Annahmegemäß sind das im Folgenden Haushalte, in denen die Zahl der Zimmer die Zahl der Haushaltsmitglieder um 3 und mehr überschreitet – also etwa der Single-Haushalt in einer Vier-Zimmer-Wohnung.
Das gilt in Großstädten für 6 Prozent der Mieterhaushalte. Rechnerisch könnte die Überbelegung also ausgeglichen werden. Allerdings kann die Wahl einer großen Wohnung auch präferenzgerecht sein, etwa weil häufig Gäste kommen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass hier nur Großstädte im Aggregat betrachtet werden. Innerhalb der Großstädte können also beengt und großzügig lebende Haushalte...
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Das Gegenstück zu Haushalten in zu beengten Wohnungen sind solche, die in sehr großzügigen Wohnungen leben. Annahmegemäß sind das im Folgenden Haushalte, in denen die Zahl der Zimmer die Zahl der Haushaltsmitglieder um 3 und mehr überschreitet – also etwa der Single-Haushalt in einer Vier-Zimmer-Wohnung.
Das gilt in Großstädten für 6 Prozent der Mieterhaushalte. Rechnerisch könnte die Überbelegung also ausgeglichen werden. Allerdings kann die Wahl einer großen Wohnung auch präferenzgerecht sein, etwa weil häufig Gäste kommen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass hier nur Großstädte im Aggregat betrachtet werden. Innerhalb der Großstädte können also beengt und großzügig lebende Haushalte auch stärker auseinanderfallen.
Menschen bleiben in großen Wohnungen
Nichtsdestotrotz deuten die Zahlen aber auf ein gewisses Tauschpotenzial hin – insbesondere mit Blick auf ältere Haushalte. So leben 9 Prozent der Haushalte mit einem Haushaltsvorstand über 70 Jahre in sehr großzügigen Wohnungen. Dies dürfte im Wesentlichen auf den Remanenzeffekt zurückzuführen sein, wonach Haushalte oft auch dann nicht umziehen, wenn die Kinder ausziehen oder der Partner verstirbt.
Auffällig ist, dass die Quote der großzügig belegten Wohnungen zwischen den Jahren 1995 und 2010 kontinuierlich gestiegen ist, dann zunächst gesunken ist und seit 2017 wieder kräftiger steigt. Gerade im Zeitraum 1995 bis 2010 war der Wohnungsmarkt aufgrund der geschaffenen Überkapazitäten im Wohnungsbau eher entspannt, weshalb sich viele Mieter auch sehr große Wohnungen leisten konnten.
Seitdem die Preise auf den Mietwohnungsmärkten erneut anziehen, sinkt die Nachfrage nach großen Wohnungen wieder. Ursächlich für den starken Anstieg seit 2017 dürfte paradoxerweise dennoch die noch stärkere Anspannung im Markt sein. Zwar setzen die hohen Neuvertragsmieten Anreize, eher kleinere Wohnungen anzumieten, bei Bestandsmietern in großen Wohnungen wirkt aber der zunehmende Unterschied zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten in die andere Richtung, sprich, ein Verbleib in einer eigentlich zu großen Wohnung ist günstiger.
Bestandsmieten steigen langsamer
Gerade in anziehenden Märkten steigt der Unterschied deutlich an, da sich die Bestandsmieten aufgrund restriktiverer Regulierung deutlich langsamer entwickeln als die Neuvertragsmieten. Kühling et al. (2021) haben daher schon gefordert, die Bestandsmieten müssten an das Marktniveau angeglichen werden, damit Anreize gesetzt werden, passendere Wohnungen anzumieten.
Energiekrise treibt Menschen in kleinere Wohnungen
Eine zusätzliche Belastung der Bestandsmieter durch ein Anheben der Bestandsmieten erscheint in der aktuellen Lage aber kaum angemessen. Allerdings ist zu vermuten, dass die Energiekrise für eine passendere Auswahl der Wohnungen sorgt. Da die Energiekosten zu einem erheblichen Teil über die Wohnfläche bestimmt werden, gibt es nun für Haushalte in sehr großzügigen Wohnungen mehr Anreize, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Dies könnte unterstützt werden durch Hilfen bei der Wohnungssuche oder aber auch Umzugshilfen.
Wohnungsunternehmen haben sich in der Vergangenheit bereits bemüht, Wohnungstausche zu organisieren, allerdings mit geringen Erfolgen. Unter den neuen Rahmenbedingungen könnten die Chancen hierfür aber etwas besser sein. Das wird jedoch nicht ausreichen, um dem Trend überbelegter Wohnungen entgegenzuwirken. Entscheidend ist, die Bautätigkeit hochzuhalten, was aufgrund steigender Baukosten und zinsbedingt nachlassender Nachfrage schwierig ist. Zumindest sollten die Städte aber bei der Baulandausweisung nicht nachlassen.
Darüber hinaus bedarf es verstärkt Maßnahmen, um im Bestand neue Wohnungen zu errichten. Neben Dachausbauten sollten auch Aufstockungen aktiv gefördert werden, ebenso wie die Schaffung von Einliegerwohnungen – gerade bei selbstgenutztem Wohneigentum.
Literatur
Berghoff, Sonja / Hachmeister, Cort-Denis, 2019, Studentisches Wohnen 2003 und 2018, CHE – Centrum für Hochschulentwicklung (30. November 2022)
Eurostat, o. J., Glossary: Overcrowding rate (30. November 2022)
Kühling, Jürgen / Sebastian, Steffen / Siegloch, Sebastian, 2021, Neue Wege für die Wohnungspolitik von morgen, in: FAZ, (27. Dezember 2022)
Sagner, Pekka / Stockhausen, Maximilian / Voigtländer, Michael, 2020, Wohnen – die neue soziale Frage?, IWAnalysen, Nummer 136, Köln
Solari, Claudia D. / Mare, Robert D., 2012, Housing crowding effects on children’s wellbeing, in: Social Science Research, 41. Jahrgang., Nummer 2, Seiten 464 bis 476
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