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Gerd Kommer und Jonas Schweizer Steuern sparen durch Buy-and-Hold

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Ein Rechenbeispiel: Wir nehmen an, dass Lena und Carla ein Aktiendepot im Wert von 10.000 Euro besitzen. Beide erzielen 10 Prozent Kursrendite im Jahr 1 und wieder 10 Prozent Kursrendite im Jahr 2 (die Dividendenrendite interessiert uns hier nicht). Lena ist eine spekulativ orientierte, aktive Anlegerin, die ein Wertpapier zumeist nur wenige Monate hält. Carla dagegen ist eine konsequente Buy-and-Hold-Advokatin, deren Lieblingshaltedauer mit derjenigen von Warren Buffet übereinstimmt: für immer.

Lena und Carla erwirtschaften beide im Jahr 1, wie erwähnt, Kursgewinne von 10 Prozent also 1.000 Euro. Lena, die Traderin, führt davon im ersten Jahr 26,4 Prozent (264 Euro) als Kapitalertragsteuer + Soli an Vater Staat ab (alle Beträge auf volle Euro gerundet). Von ihrem Vorsteuergewinn bleiben ihr 736 Euro, mit denen sie ins zweite Investmentjahr zieht.

Carla zahlt erst einmal keine Steuern, da sie ja keine Gewinne realisiert hat. Carla geht mit dem vollen (unversteuerten) Gewinn von 1.000 Euro ins Jahr 2.

Im Jahr 2 verdient Lena mit ihrem bereits versteuerten Gewinn aus Jahr 1 nur noch 10 Prozent × 736 Euro = 74 Euro, Carla hingegen 10 Prozent × 1.000 Euro = 100 Euro. Carla hat im zweiten Jahr mithin 26 Euro vereinnahmt (die Differenz zwischen 100 Euro und 74 Euro), die Lena endgültig nicht hat und niemals haben wird. Außerdem verbleiben die oben erwähnten 264 Euro (1.000 Euro minus 736 Euro) weiterhin in Carlas Portfolio und können ihr gutes Renditewerk auch im dritten und in den folgenden Jahren tun.

Wenn wir dieses Spielchen 30 Jahre wiederholen und dabei noch den Zinseszinseffekt berücksichtigen (was in der obigen Beschreibung von Jahr 1 und Jahr 2 der Einfachheit halber unterblieb), dann bewirkt der anfänglich erst bescheidene Unterschied zwischen Lena und Carla am Ende einen erstaunlichen Endvermögensvorteil für Carla.

Warren Buffett nennt die nachgelagerte Besteuerung von Kursgewinnen bei Buy-and-Hold ein „zinsloses Darlehen vom Staat“, und wirtschaftlich ist sie genau das. Der B&H-Anleger bekommt quasi jedes Jahr neue zinslose Darlehen vom Staat, jeweils in Höhe der in die Zukunft verschobenen, gestundeten Abführung seiner im Vorjahr entstandenen Steuerschuld. Diese Darlehen muss er erst beim Verkauf der Anlagen in vielen Jahren zurückführen, kann aber diese Darlehen in der Zwischenzeit investieren und für sich arbeiten lassen.

Die nachfolgende Tabelle quantifiziert den steuerlichen Barwertvorteil bei Aktien unter der deutschen Kapitalertragsteuer für unterschiedlich lange Betrachtungsperioden bis 40 Jahre. Es wird dabei wie beschrieben eine Gesamtrendite von 8,5 Prozent p.a. angenommen, die sich in 6 Prozent Kursrendite und 2,5 Prozent Dividendenrendite aufteilt. Der „statutarische“ (gesetzliche) Steuersatz beträgt 26,375 Prozent (gerundet 26,4 Prozent) und resultiert aus 25 Prozent Kapitalertragsteuer + 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf diese 25 Prozent. Dem statutarischen Steuersatz steht der effektive Steuersatz gegenüber, und der sinkt beim B&H-Anleger mit jedem zusätzlichen Buy-and-Hold-Jahr. Beim aktiven Anleger sind statutarischer und effektiver Steuersatz identisch.

Der steuerliche Barwertvorteil bei Aktienanlagen durch Buy-and-hold 
Annahme: anfängliches Einmalinvestment von 100 Euro (gerundet)

Quelle: Gerd Kommer Invest

Das Rechenbeispiel in der Tabelle illustriert: Ein B&H-Anleger vereinnahmt unter der derzeitigen Abgeltungsteuer über einen 30-Jahres-Zeitraum eine durchschnittliche Nettorendite, die um 0,8 Prozentpunkte (7,1 Prozent p.a. statt 6,3 Prozent p.a.) höher ist als die Nettorendite eines Anlegers, der diesen steuerlichen Barwertvorteil nicht hat, weil er seine Wertpapiere mehr oder weniger jährlich kauft und verkauft. Aufgrund des Zinseszinseffekts hat das eine gewaltige Auswirkung auf den Vermögensendwert. Der ist für den B&H-Anleger nach 30 Jahren um 28 Prozent höher und nach 40 Jahren 46 Prozent höher.

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