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Target-Salden im Euroraum Warum wieder Geld nach Italien fließt

Häuserfront in Rom: Deutschland legt Geld bei Banken in Italien an.
Häuserfront in Rom: Deutschland legt Geld bei Banken in Italien an. | Foto: Pixabay

Zuerst hatte ich davon aus London gehört. Ein Kollege erzählte mir, dass deutsche Banken ihren Widerwillen gegen Geldzuflüsse aus Italien aufgegeben hätten und nun ihrerseits selbst kräftig Mittel bei Kreditinstituten in dem Land deponieren würden. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Es schien eine der üblichen Sottisen zu sein, die Engländer über die „Konkurrenz“ in Deutschland erzählen. Ich ging der Sache trotzdem nach und – was Wunder – der Kollege hatte tatsächlich recht. Deutschland und andere Länder des Euroraumes tun das, was sie sich immer geweigert hatten. Sie legen Geld bei Banken in Rom, Mailand und anderen Städten des Landes an.

Martin Hüfner
Foto: Assenagon

Als Folge dessen gehen die viel gescholtenen Target-Salden – das heißt die deutschen Überschüsse beziehungsweise Defizite im europäischen Zahlungsverkehrssystem Target – zurück. Allein im Oktober war es ein Betrag von knapp 80 Milliarden Euro – wahrlich kein Pappenstiel (siehe Grafik Seite 2). Nach dem Auslaufen der Wertpapierkäufe der EZB Anfang des Jahres hatte jeder zwar damit gerechnet, dass die Target-Salden nicht mehr steigen würden. Aber dass sie zurückgehen, und das auch noch unmittelbar vor dem Beginn neuer Wertpapierkäufe im November, das hatten wohl wenige auf der Rechnung.

Es ist ein Schlag gegen alle Eurokritiker und Crash-Propheten, die aus den Target-Salden einen Zusammenbruch des Euros vorhersagten und vor allem auch eine Pleite der Bundesrepublik, die über die höchsten Target-Salden verfügt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in Deutschland bisher niemand über das neue Phänomen der Umkehr bei den Target-Salden spricht.

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Was ist passiert, das so eine Revolution bei den Target-Salden auslöst? Um mit dem Negativen zu beginnen: An der wirtschaftlichen und politischen Situation Italiens liegt es nicht. Das Damoklesschwert einer Regierung Salvini ist zwar abgewehrt worden. Aber die neue Regierung Conte geht die notwendigen Reformen keineswegs kraftvoll und überzeugend an. Sie ist auch nicht so gefestigt, dass man ihr eine lange Lebensdauer prognostizieren würde.

Die Zinsen in Italien sind gefallen. Sie liegen für zehnjährige Staatspapiere bei 1,3 Prozent. Das ist zwar erfreulich. Angesichts der nach wie vor bestehenden Risiken in dem Land erscheint der Zinsrutsch vielen aber zu groß. Sie rechnen eher mit Zinssteigerungen. Auch das ist kein Grund für Geldtransfers in das Land.

Wirtschaftlich schrammt das Land an einer Rezession. Die Staatsverschuldung ist nach wie vor zu hoch. Die Leistungsbilanz ist zwar im Plus, aber nicht wegen der hohen Wettbewerbsfähigkeit, sondern weil das Wachstum so niedrig ist. All das, was wir von unserem südlichen Nachbarn schon seit langem kennen.

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