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Diskussion um nachhaltige Portfolios LFDE-Fondsmanager: „Wir wollen Firmen im Wandel nicht kategorisch ausschließen“

LFDE-Fondsmanager Paul Merle
LFDE-Fondsmanager Paul Merle: „Senken große CO2-Verursacher ihre Emissionen, tragen sie zur Begrenzung der globalen Erwärmung bei.“ | Foto: LFDE

Was darf drin sein, wenn „nachhaltig“ draufsteht? Diese Diskussion wird bei Fonds teils hitzig geführt. Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace werfen der Fondsbranche Greenwashing vor, weil immer noch viel Geld in große CO2-Verursacher fließt. Die verteidigt sich: Schließlich sei der Umbau der Wirtschaft mit enormen Kosten verbunden und nur, wer investiere, könne auch Einfluss auf Unternehmen ausüben.

Das Pariser Fondshaus La Financière de l'Echiquier (LFDE) geht mit seinen nachhaltigen Fonds unterschiedliche Wege. Paul Merle, Portfoliomanager im Nachhaltigkeitsteam, erklärt im Interview, warum er darin keinen Widerspruch sieht und wie seine Investitionen in große CO2-Emittenten zu mehr Klimaschutz beitragen sollen.

DAS INVESTMENT: Als Portfoliomanager für nachhaltige Fonds bei LFDE lenken Sie und Ihre Kollegen gleich mehrere unterschiedliche Strategien. Welche Themen stehen bei Ihnen derzeit im Fokus?

Paul Merle: Mit dem Ukraine-Krieg ist der Bereich Energieeffizienz stark in den Blickpunkt gerückt. Wir müssen mehr in erneuerbare Energien investieren – nicht nur, um die globale Erwärmung zu bekämpfen, sondern auch, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern. Das ist eine große Aufgabe für Europa und besonders für Deutschland, das sehr stark von russischer Energie abhängig ist. Auf sozialer Seite beschäftigt uns die weltweit alternde Bevölkerung in Industrie-, aber auch Schwellenländern. Um dieses Thema abzudecken, investieren wir verstärkt in die Gesundheitsversorgung. Zudem hat uns die Covid-Krise gezeigt, wie wichtig Biodiversität ist. Für unseren Fonds Echiquier Climate and Biodiversity suchen wir nach Unternehmen, die den Erhalt der Artenvielfalt fördern.

Immer mehr Anleger wollen mit ihren Investments Positives bewirken. Konkrete Auswirkungen zu messen ist jedoch schwierig. Wie gehen Sie vor?

Merle: Wir orientieren uns an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Für unsere Reports werten wir aus, auf welche Ziele sich unsere Investitionen positiv auswirken. So können wir etwa zeigen, wie viele Betten wir in einem Krankenhaus finanzieren. Oft ist es aber deutlich komplizierter. Um den CO2-Abdruck eines Portfolios zu messen, greifen wir auf externe Anbieter zurück, etwa Carbon for Finance. Die Verfügbarkeit von Kohlenstoff-Daten hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Das hilft uns auch zu messen, ob unsere Portfoliounternehmen in Sachen Nachhaltigkeit Fortschritte machen.

Inwieweit können Sie als Fondsinvestor überhaupt Einfluss auf Unternehmen ausüben?

Merle: Das ist bei Publikumsfonds tatsächlich nicht so einfach, denn – im Gegensatz zu einem Private-Equity-Fonds – sind wir nur ein Anteilseigner von vielen. Engagement ist aber ein großer Teil unseres ESG-Prozesses. Wir erstellen eine Nachhaltigkeitsanalyse für jedes Unternehmen und sprechen mit dem Management, bevor wir investieren. Wir teilen mit den Firmen unsere Einschätzungen, in welchen Bereichen wir Verbesserungspotenzial sehen. Verändert sich auf längere Sicht nichts, entscheiden wir, ob wir uns von unserer Beteiligung trennen.

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Aktivisten fordern, dass nur in bereits sehr nachhaltige Firmen investiert wird. Die Politik will jedoch, dass die Finanzbranche den Umbau der Wirtschaft stützt. Wie lösen Sie das Dilemma auf?

Merle: Wir teilen die Unternehmen in drei Kategorien ein. Zunächst kommen selbstverständlich Firmen ins Portfolio, deren Produkte und Dienstleistungen beim Schutz der Biodiversität und im Kampf gegen den Klimawandel helfen, wie erneuerbare Energien und umweltfreundliche Verkehrsmittel. In die zweite Kategorie sortieren wir Firmen ein, die keine konkreten Lösungen für die Klimakrise anbieten, aber als Branchenvorreiter durchaus Systemwirkung auf Wettbewerber, Lieferanten und Kunden haben. Dazu zählen etwa Unternehmen aus dem Bereich Gesundheit oder Finanzen. Wir finden, dass jede Branche ihren Beitrag gegen die Klimaerwärmung leisten muss – das können wir mit dieser Kategorie abdecken. Für unsere dritte Kategorie schauen wir uns Unternehmen an, die sich im Wandel befinden. Typischerweise stammen diese Firmen aus Branchen, die große CO2-Emittenten sind und deren Geschäftsaktivitäten zum Teil noch einen schlechten Einfluss auf das Klima haben. Senken diese Unternehmen ihren CO2-Ausstoß, tragen sie aber zur Begrenzung der globalen Erwärmung bei.

Haben Sie ein Beispiel?

Merle: Unser Portfoliounternehmen Neste war vor zehn Jahren noch eine klassische Ölraffinerie-Firma und ist heute Marktführer bei Diesel aus erneuerbaren Produkten wie recycelten Speiseölen. Diese Kraftstoffe lassen sich unter anderem für Flugzeuge nutzen und helfen, Treibhausgasemissionen einzusparen – im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen sind es bis zu 80 Prozent. Wir wollen Firmen, die Fortschritte machen und ihren Einfluss auf das Klima verbessern, nicht kategorisch ausschließen. Allerdings setzen wir bei unseren Nachhaltigkeitsfonds auf unterschiedliche Strategien. Nicht mit jedem Fonds investieren wir in Unternehmen aus allen drei Kategorien.

Auf der nächsten Seite: Warum der Fondsmanager auch auf Atomkraft setzt und in welchen Branchen er jüngst zugekauft hat.

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