Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver Rosenkrieg mit Großbritannien
Standortqualitäten lassen sich alternativ kaum über großzügige Steuersenkungen gewinnen. Ja, Irland zieht mit Mini-Steuersätzen multinationale Konzerne an wie Licht die Motten. Doch was nutzen diese, wenn der Zugang zum großen EU-Binnenmarkt mit Zollbürokratie, Staus an den Grenzen, Unterbrechungen von Lieferketten und hohen Lagerkosten bezahlt wird.
Ebenso mögen massive Deregulierungen z.B. in der Finanzindustrie zunächst ein Standortvorteil sein. Doch selbst amerikanische Banken, die London seit Jahrzehnten lieben, gehen aktuell fremd und investieren lieber in Kontinentaleuropa. Auf rechtliche Grauzonen hat niemand Lust.
Nicht zuletzt ist für Konzerne, aber auch Startups die Arbeitnehmerfreizügigkeit wichtig, bei der sich Johnson zugeknöpft wie im kältesten Winter zeigt. Dabei sind auch für Großbritannien ausländische Fachkräfte unverzichtbar. In Krankenhäusern und Fabrikhallen werden die Bio-Briten immer rarer: Jeder achte BMW-Mitarbeiter in Großbritannien ist EU-Bürger, kein Brite.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Insgesamt betrachtet ist für ausländische Unternehmen der Schritt auf die Insel zu riskant. Und für Fish and Chips und zerkochtes Gemüse kommt niemand. Ohne Deal werden sogar viele britische Firmen Good Bye sagen.
Eigentlich würde kein verantwortlicher Politiker eine No Deal-Brexit-Krise riskieren. Damit fährt man auf der falschen Seite, auf der linken Spur. Es sei denn der Nachname fängt mit J an. Hauptsache, er hat der EU nicht nachgegeben. Und wenn die Wirtschaft leidet, schiebt er es einfach auf Corona.
Brüsseler Selbstgerechtigkeit ist fehl am Platz
Es ist völlig richtig, dass sich der europäische Stier von Johnson nicht kastrieren lässt. Wenn Erpressungen zu einem besseren Deal führten, könnten schlafende Hunde in anderen Ländern geweckt werden: Sich vieler Pflichten der EU entledigen und dennoch möglichst alle Rechte behalten.