LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 8 Minuten

Bankenstresstest in Europa Eine Prüfung mit beschränkter Aussagekraft?

Karl-Heinz Goedeckemeyer ist unabhängiger Finanzanalyst (CREA) und Wirtschaftsjournalist in Frankfurt am Main
Karl-Heinz Goedeckemeyer ist unabhängiger Finanzanalyst (CREA) und Wirtschaftsjournalist in Frankfurt am Main
Nach dem am 26. Oktober von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA veröffentlichten Bankenstresstest dürften die meisten Kreditinstitute gut gerüstet sein, um Marktpreisverwerfungen und konjunkturelle Abschwünge zu verkraften.

Die Bilanzprüfung (Comprehensive Assessment) bestand aus zwei Teilen: Einer stichtagsbezogenen Prüfung der Aktiva (Asset Quality Review, AQR), also vor allem der Kredite und des Eigenkapitals, und einem Stresstest, bei dem die Entwicklung der Bilanzgrößen unter normalen und sehr negativen äußeren Einwirkungen simuliert wurde.

Im sogenannten Baseline-Szenario der EBA wurde geprüft, was mit den Bankbilanzen passiert, wenn sich die Wirtschaft in den nächsten drei Jahren so entwickelt, wie es die EU vor einem Jahr prognostiziert hat.

Im harten (adversen) Szenario hingegen ging es darum, wie sich die Institute schlagen, wenn es einen mehrjährigen Konjunktureinbruch gibt, die Anleiherenditen steigen und sich die Kreditwürdigkeit der Staaten verschlechtert.

Während die Banken im Baseline Szenario eine Kernkapitalquote (CET 1 Ratio) von mindestens 8 Prozent aufweisen müssen, dürfen sie im Krisenszenario nicht unter der Schwelle von 5,5 Prozent fallen. Aufschluss über die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle der Banken geben die Resultate der EZB-Prüfung jedoch nicht.

Vielmehr stellt sich die Frage, wie die Banken vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Konjunktur, einem unverändert anhaltenden Niedrigzinsniveau und zunehmendem Wettbewerbsdruck auskömmliche Renditen erzielen wollen.

Der Asset Quality Review hat eine höhere Anzahl an faulen Krediten aufgedeckt


Wenngleich der Stresstest entgegen den Erwartungen vieler Marktteilnehmer überraschend gut ausgefallen ist, dürfte die Wirkung auf die wirtschaftliche Erholung der Eurozone begrenzt bleiben. Denn die schwache Kreditvergabe in der Eurozone liegt nicht so sehr an zurückhaltenden Banken, sondern an der ungenügenden Kreditnachfrage seitens der Haushalte und Unternehmen.

Hinzu kommt, dass die Rechtskosten europäischer Finanzinstitute nicht hinreichend im Test reflektiert worden sind, was sich zum Beispiel bei der Deutschen Bank anschaulich zeigt. Zwischen den Erhebungen der EBA beziehungsweise EZB und der Bank selbst klaffen große Unterschiede.

Ferner hat sich die EZB für eine großzügige Kapitaldefinition entschieden und die „fully loaded“-Quote nach Basel III nicht angewandt. In diesem Fall hätten einzelne Landesbanken den Test im „Adverse Szenario“ nicht überstanden.

Hinzu kommt, dass die Banken ihre Vermögenswerte um 48 Milliarden Euro zu hoch angesetzt hatten und ausfallgefährdete Kredite in Höhe von 136 Milliarden Euro in den Bilanzen gar nicht als "ausfallgefährdet" klassifiziert haben, was der unterschiedlichen Auffassungen seitens der Bilanzierung dieser Kredite zwischen den Aufsehern und Banken (90 versus 120 Tage überfällig) geschuldet sein dürfte.

Dass viele Banken – auch aus Deutschland - selbst im adversen Szenario den Test bestanden haben, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass viele der notleidenden Assets in sogenannte Bad Banks oder Abbausegmente (Non Core Assets) ausgelagert wurden (unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank).

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Verschuldungsquote nicht Bestandteil des AQR-Tests gewesen ist, obwohl die EZB Leverage Ratios (LR) für die Banken zur Verfügung stellte. Immerhin wiesen 14 Institute, darunter auch deutsche Banken, ein LR unterhalb der im Basel III-System geforderten 3 Prozent aus.

Dabei hätte das LR eine höhere Aussagekraft für die Beurteilung der Fragilität von Kreditinstituten als die risikogewichtete Kapitalquote, weil dieser Indikator nicht manipulierbar ist.

In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass zum Beispiel britische Großbanken gemäß den Anforderungen der Bank of England ab 2016 eine LR zwischen 4 und 5 Prozent ausweisen müssen.

Hinzu kommen Puffer: “Supplementary Buffer“ bis zu 1,05 Prozent beziehungsweise „Countercycle Buffer“ zwischen 0 und 0,9 Prozent. Für system-relevante Großbanken könnte sich die LR auf 7 Prozent erhöhen. Lloyds hat zum dritten Quartal bereits eine LR von 4,7 Prozent ausgewiesen.

Dennoch ist zu konstatieren, dass der diesjährige Stresstest weitaus aussagefähiger ist als jene aus den Jahren 2010 (Kapitalbedarf: 3,4 Milliarden Euro), 2011 (Kapitalbedarf: 2,5 Milliarden Euro) und dem Blitz-Stresstest aus dem Herbst 2011, wo ein Kapitalbedarf von 115 Milliarden Euro angezeigt wurde.

Bei diesen Tests wurden negative Konjunktur-Auswirkungen entweder ungenügend oder überhaupt nicht berücksichtigt. Ausblickend werden sich die Banken auf weitere Stresstests einstellen müssen, die sich noch stärker auf die Portfolios der einzelnen Institute beziehen dürften.

Festzustellen ist, dass die am Stresstest beteiligten Kreditinstitute durch diverse Maßnahmen ihre Eigenkapitalbasis um knapp 200 Milliarden Euro gestärkt haben. Die Erhebungen seitens der EZB stehen im Kontrast zu einer Studie des ZEW.

Dessen Wirtschaftsforscher bemängeln, dass vor allem die Großbanken im vergangenen Jahr Eigenkapital (-22,5 Milliarden Euro) abgebaut haben, anstatt es zu erhöhen. So hätten sie ihre Kapitalquoten nur dadurch verbessert, indem sie ihre Bilanzsummen schneller haben schrumpfen lassen als das Eigenkapital, nämlich um durchschnittlich knapp 10 Prozent.

Eigentlich wäre es wünschenswert, dass diese Banken absolut gesehen mehr Eigenkapital bilden, statt es zu reduzieren. Der Studie zufolge haben die Banken ihre Bilanzsummen bereits im Jahr 2013 um 2,25 Billionen Euro verkürzt, wovon rund die Hälfte auf die zehn größten Banken der Eurozone entfällt. Ferner hätten die Banken ihre Risikoaktiva um 262 Milliarden Euro erhöht, wobei jene der Großbanken um 77 Milliarden Euro gesunken sind.
Tipps der Redaktion