Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Europa in Schieflage
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Es gibt gute Gründe, die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank als Verstoß gegen das Verbot der Staatsfinanzierung einzustufen. Dennoch: Ohne Hilfe des Geldinstituts droht dem Euro das Aus. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, erklärt die volkswirtschaftlichen Hintergründe.
Vor dem Hintergrund einer solchen Bewertung stellt sich die Frage, wie denn das allerneuste Anleiheaufkaufprogramm der EZB mit Namen „PEPP“ (Abkürzung für „Pandemic Emergency Purchase Programme“) zu beurteilen ist. Reicht es schon aus, wenn das PEPP gegen eines dieser Kriterien verstößt, um die Anleihekäufe als monetäre Staatsfinanzierung einzustufen? Oder müssen mehrere der aufgeführten Kriterien oder alle Kriterien verletzt sein? Während die Richter hier vermutlich reichlich Interpretations- und Urteilsspielraum erblicken, ist die ökonomische Sachlage (auch hier) recht klar.
Ein Hinweis zur Beantwortung der Frage, ob die EZB monetäre Staatsfinanzierung betreibt oder nicht, könnte man...
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Vor dem Hintergrund einer solchen Bewertung stellt sich die Frage, wie denn das allerneuste Anleiheaufkaufprogramm der EZB mit Namen „PEPP“ (Abkürzung für „Pandemic Emergency Purchase Programme“) zu beurteilen ist. Reicht es schon aus, wenn das PEPP gegen eines dieser Kriterien verstößt, um die Anleihekäufe als monetäre Staatsfinanzierung einzustufen? Oder müssen mehrere der aufgeführten Kriterien oder alle Kriterien verletzt sein? Während die Richter hier vermutlich reichlich Interpretations- und Urteilsspielraum erblicken, ist die ökonomische Sachlage (auch hier) recht klar.
Ein Hinweis zur Beantwortung der Frage, ob die EZB monetäre Staatsfinanzierung betreibt oder nicht, könnte man am Verhältnis zwischen den gekauften nationalen Staatsanleihen und dem jeweiligen Kapitalanteil der nationalen Euro-Zentralbanken am Eigenkapital der EZB festmachen.
Wenn die EZB „normale“ Geldpolitik beitreibt, dürfte sie kein Land bevorzugen oder benachteiligen; sie müsste anteilig gleichmäßig Anleihen der Euroländer kaufen. Würde hingegen der Anteil einer nationalen Anleihe im EZB-Portfolio den Kapitalanteil der nationalen Euro-Zentralbank am EZB-Eigenkapital übersteigen, wäre das eine Bevorzugung des betreffenden Landes.
Die Zusammensetzung des EZB-PSPP-Portfolios für Ende Mai 2020 zeigt allerdings keine derartigen Auffälligkeiten (Abb. 2): Die Anteile der nationalen Schuldpapiere am EZB-PSPP-Portfolio überstiegen nicht die nationalen Anteil am EZB-Kapital („Kapitalschlüssel“). Schuldpapiere aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden waren allerdings etwas unterpräsentiert.
Beim PEPP zeigt sich bis Ende Mai 2020 eine Bevorteilung Italiens: Der Anteil der gekauften italienischen Anleihen lag mit 20 Prozent an den Gesamtkäufen des PEPP deutlich höher als der Anteil der Italiener am Eigenkapital der EZB in Höhe von 17,41 Prozent (Abb. 3). Frankreich und auch Deutschland wurden hingegen „benachteiligt“.
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