China: Fondsmanager kritisiert Wachstum durch zweifelhafte Kreditvergabe
DAS INVESTMENT.com: China ist ein Land, das mittlerweile häufig als Wachstumsmotor und Krisengewinner bezeichnet wird. Doch wo viele andere eine Lokomotive der Weltwirtschaft sehen, sehen Sie lediglich Blasen. Warum? Steffen Hauptmann: Ich sehe zwar nicht überall Blasen. Allerdings gehen die jüngsten Anstiege im Aktien- und Immobilienmarkt in diese Richtung. Die Liquidität, die in diese Märkte fließt, stammt zu großen Teilen aus dem milliardenschweren staatlichen Konjunkturpaket Chinas. Selbst hochrangige chinesische Beamte sprechen offen davon, dass bis zu einem Fünftel der Gelder – rund 140 Milliarden US-Dollar – auf dem Aktienmarkt gelandet sind. DAS INVESTMENT.com: Steht die Blase kurz vorm Platzen? Hauptmann: Nicht unbedingt. Solange der Liquiditätsfluss anhält, können die Märkte durchaus weiter steigen. Die Regierung benötigt die Konjunkturpakete, um politische Stabilität im Land zu gewährleisten. Angesichts der durch die Exporteinbrüche ausgelösten jüngsten Entlassungswellen im privaten Sektor können soziale Unruhen nur vermieden werden, wenn alternativ Stellen im staatlichen Sektor geschaffen werden. Die chinesische Regierung will mit allen Mitteln ein Wachstum von 8 Prozent erreichen. Sie wird soviel Geld in Konjunkturpakete investieren, dass dieses Ziel erreicht wird. DAS INVESTMENT.com: Und was ist daran so schlimm? Hauptmann: Die Geldmenge, die von der Regierung für Konjunkturprogramme vorgesehen wurde, ist riesig: Rund 700 Milliarden US-Dollar. Im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt ist das weit mehr als in jedem anderen Land der Welt. Einen großen Teil dieser Gelder geben die staatlichen Banken über Kredite an die Wirtschaft weiter. Die Summe der in diesem Jahr ausgegebenen Kredite macht 40 Prozent aller ausstehenden Kredite aus. Eine derartige Steigerung des Kreditvolumens in einer Rezession ist sehr problematisch. DAS INVESTMENT.com: Warum? Hauptmann: Banken verhalten sich logisch, wenn sie nur Kredite vergeben, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch zurückbekommen würden. Wenn Finanzinstitute hingegen zur Kreditvergabe gezwungen werden, besteht für Kreditnehmer keine Motivation, mit den Mitteln verantwortungsvoll umzugehen. Es kommt zu Fehlinvestitionen und langfristig zu faulen Krediten. DAS INVESTMENT.com: Zum Beispiel? Hauptmann: Viele Kredite werden in den Bau von Büro- und Wohnflächen investiert, die zunehmend schwerer zu verkaufen sind. Schon heute hat jeder Chinese im Schnitt 28 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung – das sind nur unwesentlich weniger als jeder Deutsche. Die Quadratmeterpreise für Wohnimmobilien in chinesischen Großstädten liegen fast auf deutschem Niveau. Gleichzeitig verdient ein chinesischer Arbeiter im Schnitt nur ein Siebtel des deutschen Durchschnittslohns, seine Möglichkeiten zum Erwerb einer Immobilie sind also weitaus schlechter. Die chinesische Bauindustrie ist so groß, dass sie jedes Jahr weitere 2 Milliarden Quadratmeter Wohnfläche neu baut. Das Bevölkerungswachstum stagniert und die Migration in die Städte stößt zunehmend an Grenzen. Daher sind Überkapazitäten und hohe Leerstände auf dem chinesischen Immobilienmarkt kein Wunder. Viele der Kredite, die diesen Bauboom finanzieren, werden nie zurückgezahlt werden. DAS INVESTMENT.com: Und wie sieht es mit der Konsumgüterindustrie aus? Hauptmann: Auch dort sehe ich mittelfristig schwarz. Vor der Krise machten Exporte – hauptsächlich nach Europa und in die USA – einen großen Teil des Wachstums aus. Diese Zielgruppe ist mittlerweile hoch verschuldet und hält sich stark bei Neuanschaffungen zurück. Der Binnenkonsum der Chinesen wird diese Exporteinbrüche nicht ausgleichen können. DAS INVESTMENT.com: Dabei sehen doch viele Experten gerade im Binnenkonsum ein großes Potenzial. Hauptmann: Zu Unrecht. Es stimmt zwar, dass chinesische Konsumenten nur 40 Prozent ihres Einkommens für Konsum ausgeben; in den westlichen Ländern liegt diese Zahl bei 60 bis 70 Prozent. Allerdings müssen die Chinesen für ihre Gesundheit und das Alter selbst vorsorgen, da sie nicht die uns bekannten Sozialsysteme haben. Zudem bringt die Ein-Kind-Politik zunehmende demografische Probleme. Beide Entwicklungen zusammen erzwingen sehr hohe Sparraten und machen einen relativen Anstieg der Konsumausgaben eher unwahrscheinlich.