Gerd Kommer und Alexander Weis Gold als Investment – braucht man das?
Am Anfang jedes Nachdenkens über Rendite und Risiko einer Asset-Klasse sollte eine Betrachtung ihrer historischen Rendite und ihres historischen Risikos stehen. Generell gilt dabei die Regel, so weit zurückzugehen, wie es Datenqualität und -verfügbarkeit zulassen. Im Falle von Gold reichen diese Renditen zwar über 200 Jahre oder sogar noch länger zurück, doch besteht hier eine Ausnahme: Renditedaten vor den 1970er-Jahren sollten ignoriert werden, denn vor 1971 war Gold in den USA, Großbritannien und vielen anderen Ländern die De-facto-Währung; will heißen, dass die nationalen Währungen den größten Teil der Zeit während dieser 200 Jahre eine gesetzlich vorgeschriebene, feste Austauschrelation zu Gold besaßen – der so genannte Goldstandard – und der Goldpreis somit vom Staat festgesetzt wurde, also nicht frei schwankte, wie das heute der Fall ist.
Die Goldpreisbindung des US-Dollars wurde im August 1971 von der amerikanischen Regierung abgeschafft – das Ende des so genannten Bretton-Woods-Währungssystems. Da die meisten westlichen Währungen bis dahin einen von der Zentralbank des jeweiligen Landes festgelegten und festen oder „halbfesten“ Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar besaßen, war indirekt auch der Goldwert dieser Währungen bis August 1971 fest fixiert. Mit Beendigung des Goldstandards änderten sich die Spielregeln für Gold im Sinne eines Investments grundlegend, denn von da an schwankte der Goldpreis frei und bewegte sich erstmalig nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt. Für Gold als Vermögensanlage markierte der August 1971 damit das, was Statistiker einen Strukturbruch nennen.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Wer diese Argumentation akzeptiert, für den beginnen die aus Investmentsicht relevanten Preisschwankungen von Gold frühestens im September 1971. Vor diesem Datum waren die realen Goldrenditen weit, weit niedriger als danach. Von 1792 bis August 1971 (180 Jahre) sank der reale Goldpreis in US-Dollar um durchschnittlich –0,4 Prozent pro Jahr – das entspricht einem kumulativen Preisrückgang von über 50 Prozent. Ab September 1971 zogen die Goldrenditen im Vergleich zu den vorhergehenden 180 Jahren stark an.
Allerdings dürfte auch der September 1971 kein wirklich gut geeignetes Startdatum für ein historisches Gold-Rendite-Benchmarking gegen andere Asset-Klassen sein. Die US-Regierung und auch andere Staaten ließen erst ab Anfang 1975 privaten Goldbesitz ihrer Bürger wieder zu. Zwischen 1934 und Ende 1974 hatte in den USA ein vierzigjähriges „Goldverbot“ für Privathaushalte bestanden, dessen Missachtung mit Gefängnis von bis zu zehn Jahren bestraft wurde. Jahrzehntelange Verbote privaten Goldbesitzes gab es im 20. Jahrhundert in praktisch allen westlichen Ländern – Demokratien und Diktaturen gleichermaßen – einschließlich Deutschland. Die rechtlichen Konsequenzen einer Verletzung dieser Verbote waren zum Teil drakonisch; so konnte in Deutschland privater Goldbesitz im Dritten Reich mit dem Tod bestraft werden. Ähnliche Grausamkeiten galten jahrzehntelang in Russland und anderen sozialistischen Staaten. Auch die demokratische Weimarer Republik führte 1923 eine Zwangsabgabe auf Gold in Privatbesitz ein. Das nationalsozialistische Goldverbot wurde in der Bundesrepublik 1955 beseitigt.
In den gut drei Jahren, die zwischen der Beendung des Quasi-Goldstandards (Bretton-Woods-System) im August 1971 und der Legalisierung von Privatbesitz an Gold in den USA im Dezember 1974 lagen, stieg der reale Goldpreis in US-Dollar um 238 Prozent oder 44,2 Prozent p. a. Man kann wohl schlussfolgern, dass in dieser Phase strukturell abnormale und damit nicht repräsentative Sonderbedingungen herrschten, die sich so nicht wiederholen werden. Nach 40 Jahren Goldverbot hatte sich bei der US-Bevölkerung und in anderen Ländern, einem riesigen Käufersegment, eine Rückstaunachfrage gebildet und die schon vorher absehbare Freisetzung trug maßgeblich zum drastischen Preisanstieg in den dreieinhalb Jahren bis Ende 1974 bei. Deshalb sollte eine historische Goldrenditeanalyse, soweit man aus ihr belastbare Erkenntnisse für die Zukunft ableiten will, eigentlich nur die Zeit nach 1974 berücksichtigen, denn erst ab 1975 hatten sich die Verhältnisse hinreichend normalisiert.