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Edelmetall-Experte im Interview „Nachhaltigkeit spielt für Gold-Anleger keine Rolle“

Edelmetall-Experte York Tetzlaff
Edelmetall-Experte York Tetzlaff: „Recyceltes Gold hat einen um den Faktor 1000 besseren CO2-Fußabdruck als Primärgold“ | Foto: Fachvereinigung Edelmetalle

DAS INVESTMENT: In Deutschland liegt der Recycling-Anteil von Gold bei mehr als 90 Prozent. Das klingt erst einmal sehr viel. Woran liegt das?

York Tetzlaff: Das hat historische Gründe. In Deutschland gibt es keine Minen. Edelmetallfirmen wie die Scheideanstalten wurden gegründet, um Abfallprodukte der Schmuck- und Uhrenindustrie zu verarbeiten. Das Besondere an Edelmetallen ist, dass sie beliebig oft wiederverwertet werden können. Weit über 90 Prozent des bisher gewonnen Goldes ist immer noch im Umlauf. Zwischen Primärgold aus der Mine und Sekundärgold aus Recycling gibt es dabei keinen Qualitätsunterschied – Gold ist Gold. Aus Umweltaspekten ist die Differenz aber groß: Recyceltes Gold hat einen um den Faktor 1000 besseren CO2-Fußabdruck als Primärgold.

Woher stammt das in Deutschland recycelte Gold?

Tetzlaff: Ein großer Teil stammt aus der Schmuckindustrie und Uhrenproduktion sowie von Privathaushalten, ein kleinerer Anteil von 10 bis 15 Prozent aus der Elektronikindustrie. Diese Quote könnte sehr viel höher sein. Anstatt ausgediente Elektronikgeräte in Deutschland zu recyclen, werden diese nach wie vor häufig ins Ausland exportiert. Insgesamt wird aktuell nur ein Drittel aller Elektrogeräte mit Edelmetall-Anteil wiederverarbeitet. Da ist noch viel Luft nach oben – gerade vor dem Hintergrund einer sicheren Rohstoffversorgung.

Wie ließe sich das ändern?

Tetzlaff: Das fängt bereits bei den Definitionen an. Alles, was als Altgerät eingestuft wird, gilt nicht als Schrott und kann ins Ausland verschifft werden – selbst wenn es dort niemand mehr nutzen würde. Diese Lücken müsste der Gesetzgeber schließen. Aber auch Privatpersonen können einen Beitrag leisten. In einem Smartphone sind zwischen 30 und 36 Milligramm Gold verbaut. Rechnet man das auf die zahlreichen, ungenutzten Handys in deutschen Haushalten hoch, ergibt das mehr als 6 Tonnen Altgold – Deutschlands größter Altgold-Schatz.

 

Ist Recycling noch zu teuer?

Tetzlaff: Das trifft sicherlich auf viele Metalle zu, gilt aber – aufgrund des hohen bleibenden Werts – eigentlich nicht für Gold. Ein Beispiel aus der Praxis: Wer in einer Scheideanstalt den Recyclingbereich verlässt, wird meist über eine Klebefolie geleitet oder muss seine Schuhe abbürsten. Sogar der Goldstaub, der dort hängenbleibt, wird wiederverwertet.

Eine hohe Recycling-Quote klingt ja erst einmal gut – aber lässt sich denn bei Recycling-Gold auch etwas über die Herkunft sagen?

Tetzlaff: Das ist in der Tat nicht so einfach. Letztendlich muss man sich bewusst machen, dass es kein Metall gibt, das nicht irgendwann einmal aus der Erde geholt wurde. Wenn Feingold in die Scheideanstalten kommt, dann lässt sich mithilfe von Analysen die Herkunft bestimmen. Das gilt aber immer nur für einen Lebenszyklus. Wurde das Gold raffiniert und weiterverarbeitet, verliert es diesen Fußabdruck. Dann können Zertifikate, etwa von Lieferanten, Auskunft geben.

In Deutschland gilt seit Januar das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Unternehmen verpflichtet, bei ihren Lieferketten auf den Schutz der Menschenrechte zu achten. Welchen Einfluss haben solche Regularien auf die Edelmetall-Branche?

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Tetzlaff: Das Lieferkettengesetz gilt zunächst nur für sehr große Unternehmen – und betrifft damit faktisch nur wenige. Allerdings setzt die Edelmetall-Branche viele Anforderungen bereits über freiwillige Industrie-Initiativen um. Diese Initiativen orientieren sich an den OECD-Leitlinien für verantwortungsvolles Wirtschaften und beinhalten etwa die Zertifizierung der Lieferkette, die von unabhängigen Dritten überprüft wird.

In der Goldgewinnung sind große Konzerne tätig, es gibt aber auch den Kleinbergbau. Macht das Kontrollen nicht sehr schwierig?

Tetzlaff: Man muss tatsächlich zwischen der industriellen und der artisanalen Primärgoldgewinnung unterscheiden. Beim industriellen Goldabbau geht es um große Unternehmen, die oft börsennotiert sind und viel Wert auf ihre Reputation legen. In diesem Bereich sind die Kontrollen sehr strikt. Anders ist das beim Kleinbergbau, wo Verletzungen von Umweltstandards und Menschenrechten immer noch vorkommen. Oft spielen auch militärische Konflikte eine Rolle. Eine Ausnahme bildet Gold mit Fairtrade- oder Fairmined-Siegel, das ebenfalls aus Kleinbergbau stammt. Dabei werden jedoch bestimmte Mindeststandards sowie eine Kontrolle der Lieferkette garantiert. Oft finanzieren die Initiatoren zudem soziale Projekte vor Ort, etwa den Bau von Schulen.

 

Wie lässt sich verhindern, dass Gold aus Konfliktregionen nach Deutschland kommt?

Tetzlaff: Die seit dem Jahr 2021 anwendbare EU-Konfliktmineralienverordnung verpflichtet Gold-Importeure, bei sogenannten Hochrisiko-Ländern besonders genau hinzuschauen. In Deutschland wird aus diesen Gebieten ohnehin kein Gold bezogen. Das Material gibt es aber trotzdem – das wird in andere Länder verkauft, in denen nicht so genau hingeschaut wird. Globale Initiativen und Kontrollen der Lieferketten können es Produzenten in Konfliktregionen schwieriger machen, ausmerzen lässt sich dieser Bergbau aber vermutlich nicht. Genauso wenig kann man hundertprozentig ausschließen, dass solches Gold – etwa durch Privatpersonen, die im Ausland Schmuck gekauft haben – in Deutschland in den Kreislauf gelangt.

Beim Thema Geldanlage steht oft die Rendite im Fokus. Achten Gold-Anleger überhaupt auf Nachhaltigkeit?

Tetzlaff: Bei Investoren spielt das Thema bislang keine große Rolle. Vereinzelt gibt es Unternehmen, die etwa Goldbarren aus Fairtrade-Produktion anbieten. Bislang sind aber nur sehr wenige Anleger bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen. In der Regel steht bei Gold-Investitionen die Rendite im Vordergrund, die dadurch dann etwas geschmälert wird. Anders ist das dagegen bei Schmuck. Viele Juweliere setzen mittlerweile auf Recycling-Gold oder Edelmetalle mit Fairtrade-Zertifizierung – die Nachfrage nach solchen Produkten steigt.

Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?

Tetzlaff: Das liegt vermutlich daran, dass Schmuck ein emotionaleres Produkt ist als etwa ein Goldbarren, der ausschließlich der Geldanlage dient. Die Herkunft des Goldes spielt daher für die Kunden eine größere Rolle.

Über den Interviewten:
York Tetzlaff ist seit 2019 Geschäftsführer der Fachvereinigung Edelmetalle, dem Bundesverband der deutschen Edelmetallindustrie. Zuvor war der Jurist unter anderem Vertreter der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in Brüssel.

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