Kai Lucks über Digitalisierung
Deutschland im Hintertreffen
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Roboter beim Global Media Forum in Bonn: Deutschland hinkt bei der Digitalisierung hinterher. Foto: imago images / Sven Simon
Eines der Hauptprobleme der deutschen Wirtschaft ist das Beharren auf alten Erfolgsrezepten, ist Kai Lucks überzeugt. Hier erklärt der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Mergers & Acquisition, wie sich diese Rückgewandheit im Digitalisierungs-Wettlauf zeigt.
Kann das „Modell Deutschland“, das als Sozialstaat für attraktive Arbeitsplätze, für Wissenschaft, für freiheitliches Denken und Umweltschutz steht, überhaupt gegen die radikalen Digitalansätze in den USA und Chinas erfolgreichen Widerstand leisten?
Wo müssen wir Abstriche machen, auch schmerzhafte Entscheidungen treffen, weil wir im Wettbewerb nur bestehen können, wenn wir überkommene Strukturen überwinden?
Einige Eckpunkte sind klar: Die Aufholjagd in der digitalgetriebenen Welt gelingt nur wenn wir an allen Stellschrauben gleichzeitig drehen, wenn wir endlich von der Nabelschau wegkommen und nach außen sehen. Wir müssen uns an den Besten der Welt orientieren. Benchmarking ist angesagt. Die Industrie kennt das schon, muss aber viel konsequenter hinsehen. Vor allem im Mittelstand sind beträchtliche Defizite festzustellen.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Kann das „Modell Deutschland“, das als Sozialstaat für attraktive Arbeitsplätze, für Wissenschaft, für freiheitliches Denken und Umweltschutz steht, überhaupt gegen die radikalen Digitalansätze in den USA und Chinas erfolgreichen Widerstand leisten?
Wo müssen wir Abstriche machen, auch schmerzhafte Entscheidungen treffen, weil wir im Wettbewerb nur bestehen können, wenn wir überkommene Strukturen überwinden?
Einige Eckpunkte sind klar: Die Aufholjagd in der digitalgetriebenen Welt gelingt nur wenn wir an allen Stellschrauben gleichzeitig drehen, wenn wir endlich von der Nabelschau wegkommen und nach außen sehen. Wir müssen uns an den Besten der Welt orientieren. Benchmarking ist angesagt. Die Industrie kennt das schon, muss aber viel konsequenter hinsehen. Vor allem im Mittelstand sind beträchtliche Defizite festzustellen.
Die digitale Transformation gelingt nur bei einer Minderzahl. In der Zusammenarbeit mit Startups ist der Mittelstand außerordentlich schwach. Wir brauchen denn Schulterschluss unter allen Beteiligten. Da sind vor allem die Brüche zwischen Industrie und Verwaltung zu überwinden. Deutschland leistet sich Silostrukturen, die völlig überholt sind: Während Spitzenkräfte in den USA zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft wechseln, bringen unsere Führungen fast immer nur Erfahrungen aus einem Sektor mit.
Methoden und Kenntnisse sind übertragbar. Isolierte Sichtweisen, seien sie noch so ideal, zerstören Werte. Deutschland leidet vor allem unter Verkrustungen, die sich herleiten aus Gemütlichkeit, Sicherung von Pfründen und althergebrachten, scheinbar unumstößlichen Vorgehensweisen – unter dem Vorwand, dass allein diese die Rechtssicherheit und soziales Verhalten absichern.
Verkrustungen und Wertvernichter
Wir liegen leider an vielen Eckpunkten falsch. Einige Beispiele: Die OECD hatte schon vor rund zehn Jahren das Prinzip des „Once-only“ ausgegeben, wonach eine Grundinformation über Bürger und Unternehmen nur bei einer Behörde beweisbar abgegeben werden muss, damit diese an allen öffentlichen Stellen abgerufen werden kann. Das wäre eine erhebliche Kosteneinsparung.
Deutschland hat dies unter Verweis auf Datenschutz fast nirgends umgesetzt, während dies für viele europäische Partner zur Regel wurde. Viele Verwaltungsprozesse können durch automatisierte Verfahren nicht nur schneller, kostengünstiger sondern auch sicherer und sogar gerechter gestaltet werden – weil subjektive Sichtweisen reduziert und mittels Datenbanken und IT-hinterlegter automatisierter Verfahren systematisch vergleichbare Lösungen herangezogen werden können. Damit ließe sich die große Masse einfacher Rechtsprechung automatisieren.
Wartezeiten von über einem Jahr können auf wenige Tage reduziert werden. Die Technik dazu ist da. Der Wille nicht. Selbst für die Absicherung von Eigentum und Verträgen bieten sich neue Methoden an. So könnte ein Großteil der Arbeiten von Ämtern und Notariaten ersetzt werden durch Blockchain-basierte, dezentrale Sicherungen, ohne dass dafür zentrale Stellen eingeschaltet werden müssen.
Damit fielen freilich gewisse alte Pfründe weg. Für einige Wenige schmerzhaft, für die Breite der Gesellschaft jedoch von großem Nutzen, weil Amtswege, Zeitverluste und Prozesskosten entfielen. Dies sind Wertvernichtungen, die wir uns heute nicht mehr leisten können. Es klingt provozierend, ist aber ernst zu nehmen: Deutschland hätte kaum Arbeitskräftemangel bei Leistungsträgern, wenn Mitarbeiter aus wertvernichtenden Tätigkeiten freigestellt und auf werttreibende Funktionen versetzt werden könnten.
Fehlsteuerung bereits in der Ausbildung
Voraussetzung ist natürlich auch, dass Deutschland auf die passende Ausbildungsstruktur hinwirkt. Heute haben wir rund 3,5 Millionen Studenten, aber nur eine Million gewerblich Auszubildende. Das ist eine dramatische Fehlsteuerung, die auf Missinterpretationen der OECD zurückzuführen ist.
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