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Vermögensverwalter Burkhard Wagner Rezession ante portas?

Bärenskulptur am Börsenplatz in Frankfurt
Bärenskulptur am Börsenplatz in Frankfurt: Der Dax notiert zur Jahresmitte rund 20 Prozent tiefer. | Foto: imago images / STPP

Halbzeit! Die Hälfte eines bisher sehr fordernden Anlagejahres liegt hinter uns. Als da waren: Corona, haussierende Rohstoffpreise, rekordverdächtige Inflationszahlen, globale Lieferengpässe, steigende Zinsen und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Diese Gemengelage hatte es in sich und blieb nicht ohne Folgen für die Anleger. Eine Börsenregel besagt: „Wie die ersten Tage eines Börsenjahres laufen, so wird das ganze Börsenjahr“. Das zeigt wieder, was von alten Börsenweisheiten zu halten ist. Nichts!

Die Bären übernehmen das Zepter

Das Börsenjahr 2022 startete verheißungsvoll. Nachdem bereits an den ersten drei Januartagen der DAX um rund 2,5 Prozent auf ein neues Hoch von 16.271 Punkten geklettert war, kam es nach dem Beginn des Ukrainekrieges zu einem Ausverkauf an den Aktienmärkten. Zur Jahresmitte notiert Deutschlands führender Aktienindex knapp 20 Prozent im Minus. Andere Aktienindizes traf es noch härter. Der US- Technologie-Aktienindex Nasdaq Composite verlor seit Jahresbeginn über 32 Prozent an Wert.

Burkhard Wagner © Partners AG

Nicht nur die Aktienmärkte kamen unter die Räder. Am Rentenmarkt gab es durch die steigenden Zinsen einen Kurseinbruch, den man getrost als einmalig in den letzten 40 Jahren bezeichnen kann. Anleihen verloren innerhalb kurzer Zeit teilweise zweistellig an Wert. Der Bund-Future, der den Kurs einer sechsprozentigen Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit widerspiegelt, fiel um mehr als 13 Prozent und befindet sich wieder auf dem Stand von 2014.

Da war es gleich, ob das Depot eher defensiv mit hohem Anteil festverzinslicher Wertpapiere oder dynamisch mit einer hohen Aktienquote ausgerichtet war. Vielen Anlegern blieben erhebliche Kursverluste im ersten Halbjahr nicht er- spart. Des einen Freud, des anderen Leid. Für Neuinvestoren, die ihr Geld in Anleihen investieren möchten, gab es zuletzt wesentlich attraktivere Renditen als noch vor einigen Monaten.

Mehr Leid erfahren dagegen Immobilieneigentümer und -investoren. Baufinanzierungen verteuerten sich innerhalb kürzester Zeit um das Dreifache. Waren Baudarlehen mit zehnjähriger Bindungsfrist zum Jahresbeginn noch für bis zu 0,8 Prozent zu bekommen, liegen die aktuellen Sätze bei etwa 3 Prozent. Wer jetzt refinanzieren muss, hat noch Glück im Unglück. Vor zehn Jahren waren die Konditionen ähnlich. Doch früher oder später werden die steigenden Zinsen ihre Spuren am Wohnungsimmobilienmarkt hinterlassen. Immer mehr Häuslebauer werden sich die Kombination aus teurer Immobilie und teurer Fremdfinanzierung nicht mehr leisten können.

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Der Blick auf die Rohstoffmärkte zeigt, woher die Inflation kommt. Die Preise für alle Rohstoffe, vor allem aber für Energie, gingen durch die Decke. Davon profitierte zunächst Gold als Krisenmetall und Inflationsschutz. Das Edelmetall verteuerte sich zwischenzeitlich um mehr als 13 Prozent, konnte jedoch diese Gewinne nicht halten. Als zinsloses Investment wurden alternative Anlageformen wieder interessanter.

Rezessionsrisiken steigen

Als Absicherung in Krisen dürfte Gold dennoch gefragt bleiben. Die Kombination aus hoher Inflation mit extremen Preissteigerungen, eine noch nicht beseitigte Pandemie, der Krieg in der Ukraine und global unveränderte Lieferengpässe bergen in der zweiten Jahreshälfte ein deutliches Rezessionsrisiko. Der Bundesverband deutscher Industrie halbierte bereits seine Wachstumsprognose. Der Auftragsbestand in der Industrie ist zwar noch hoch, jedoch behindert der harte Null-Corona-Kurs in China mit seinen Lockdowns die Belieferung durch Containerschiffe. Derzeit stecken schätzungsweise elf Prozent (!!) der weltweit verschifften Waren auf Containerschiffen im Stau. Dass die Gewerkschaft Verdi für Hafenarbeiter 14 Prozent Gehaltssteigerung fordert und mit Warnstreiks droht, verringert das Problem keinesfalls.

Finanzminister Christian Lindner warnte sogar vor einer ernst zu nehmenden Wirtschaftskrise und schweren Folgen der Inflation. Die Teuerungsrate verändere schon jetzt vieles. Die Zinsaufwendungen im Staatshaushalt könnten laut Lindner von vier Milliarden Euro auf 30 Milliarden Euro anschwellen.

Eine Rezession für Deutschland wird also wahrscheinlicher, vor allem wenn die russischen Gaslieferungen tatsächlich ausbleiben sollten. Dieses Szenario könnte den Notenbanken jedoch die Möglichkeit bieten, den zuletzt eingeschlagenen harten Zinserhöhungskurs zu überdenken.

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