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Sparer müssen tapfer sein Der feine Unterschied zwischen Zinsen und Dividenden

Lesedauer: 4 Minuten
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Aktien machen nur Sinn, wenn man bereit ist, einen zwischenzeitlichen Verlust von 50 Prozent und mehr in Kauf zu nehmen. Wenn man einen Zeithorizont von mindestens fünf Jahren hat. Wenn man in der Lage ist, eine teure Aktie von einer billigen zu unterscheiden. Wenn man in der Lage ist, ein langfristig profitables Geschäftsmodell und ein kurzfristig aufgeblasenes auseinanderzuhalten. Und wenn die Rahmenbedingungen für die Unternehmen sich nicht grundlegend verschlechtern. Wenn die Früchte der Aktien also so saftig sind wie von Piketty beschrieben (dauerhaft hohe Renditen!) und so leicht zu haben wie im vorangegangenen Absatz angedeutet, dann spricht wenig gegen den Tausch der heute unverzinsten Anleihen gegen die Dividendenpapiere. So denken es sich viele Rentner und Strategen von Pensionskassen und Versicherungen. Das treibt heute den Aktienmarkt und es wird ihn auch noch eine Weile treiben.

Wann immer der Aktienmarkt fällt, kommen bald Käufer in den Markt, an denen er bislang vorbeigelaufen ist und die sich nun entschließen, lieber Dividenden als Zinsen einzunehmen. Die Aktionäre von heute danken es, denn sie freuen sich an den steigenden Kursen. Aber ob es den Neuaktionären von heute gut ergehen wird, ist mehr als fraglich. Denn es gibt einen feinen Unterschied zwischen Zinsen und Dividenden: Die Aktiengewinne, die heute noch sicher scheinen, werden in der nächsten Krise schmelzen wie die Schneemänner in der Märzsonne.

Und dann fallen die Kurse und die Dividenden werden gekürzt und die Medien schreiben vom bevorstehenden Ende der Welt, wie wir sie kannten. Dann interessiert sich niemand mehr für die guten Vorsätze beim Aktienkauf (langer Zeithorizont, große Verlusttoleranz …), der Rentner sieht seine Ersparnisse in Gefahr und der Anlagestratege von der Pensionskasse seinen Job. Und dann dreht sich die Spirale wieder nach unten. Die Verkäufe sorgen für noch niedrigere Kurse, und damit noch höhere Verluste bei denen, die noch im Markt sind. Bis diese auch verkaufen und die Kurse noch weiter gedrückt werden und noch mehr Aktionäre dazu bringen, das Handtuch zu werfen.

Anleihegläubiger haben den Luxus, einen Kursverfall aussitzen zu können: Sie haben wenigstens noch das Versprechen, eines Tages ihr Geld mitsamt (schmalen) Zinsen vom Schuldner zurückzubekommen. Dieses Versprechen hat der Aktionär nicht, er muss sich mit Gottvertrauen begnügen. In der Krise erweist sich aber erst, wie groß dieses wirklich ist. Und die meisten von uns sind kleingläubiger, als sie denken.

So kommen in Krisen die Aktien in die Hände zurück, in die sie eigentlich gehören. Man kann ahnen, dass unter den heutigen Käufern viele nicht das geistige, seelische und institutionelle Gerüst haben, welches ein Aktionär mitbringen muss. Aber heute muss uns das noch nicht bedrücken, wir freuen uns am schönen Aufschwung an den Märkten. Dieser mag auch noch lange so weiter gehen - die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht.

Am Ende setzt sich die Wirklichkeit aber wieder durch, und so beendet Horaz seine Ode mit der düsteren Ahnung, dass wir unentrinnbar an demselben Schicksalsfaden hängen: „Omnes eodem cogimur.“ So bald und so schlimm wird es aber nicht kommen, denkt sich der Aktionär und investiert, als gäbe es kein Morgen.
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