J.P.-Morgan-Volkswirte Karen Ward und Tilmann Galler
2019 wird ein Jahr der Konvergenz
Aktualisiert am 21.08.2019 - 15:09 Uhr
Tillmann Galler (l.) und Karen Ward, J.P. Morgan Asset Management: Die beiden Volkswirte analysieren die weltweiten Kapitalmärkte. Foto: J.P. Morgan Asset Management
Die deutliche Outperformance der US-Wirtschaft dürfte in diesem Jahr wohl kaum anhalten, da der Zuckerrausch der fiskalpolitischen Anreizmaßnahmen abklingen wird. Das Wachstum in den bedeutenden Industrieländern sollte im Laufe des Jahres wieder konvergieren und eher schwächer ausfallen.
Zeit für einen Rückblick
Was genau ist 2018 schiefgelaufen? Die Märkte waren optimistisch in das Jahr gestartet. Die US-Wirtschaft entwickelte sich ausgezeichnet, nachdem Steuersenkungen sowohl für das Wachstum als auch für die Unternehmensgewinne positive Impulse gesetzt hatten. Die Arbeitslosenquote sank fast auf den niedrigsten Stand der letzten 50 Jahre. Die Inflation tendierte nur ganz allmählich aufwärts, so dass es seitens der Fed kaum Überraschungen gab: Quartal für Quartal hob sie ihren Leitzins um jeweils 25 Basispunkte an. Die weltweite quantitative Lockerung wurde zurückgefahren, wodurch es bei der großen Suche nach Erträgen zu einer Umkehr kam. Dies stellte...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Zeit für einen Rückblick
Was genau ist 2018 schiefgelaufen? Die Märkte waren optimistisch in das Jahr gestartet. Die US-Wirtschaft entwickelte sich ausgezeichnet, nachdem Steuersenkungen sowohl für das Wachstum als auch für die Unternehmensgewinne positive Impulse gesetzt hatten. Die Arbeitslosenquote sank fast auf den niedrigsten Stand der letzten 50 Jahre. Die Inflation tendierte nur ganz allmählich aufwärts, so dass es seitens der Fed kaum Überraschungen gab: Quartal für Quartal hob sie ihren Leitzins um jeweils 25 Basispunkte an. Die weltweite quantitative Lockerung wurde zurückgefahren, wodurch es bei der großen Suche nach Erträgen zu einer Umkehr kam. Dies stellte für festverzinsliche Wertpapiere insgesamt eine Herausforderung dar, die allerdings nicht allzu dramatisch ausfiel (siehe: Was bewegt die Anleger? Sollte uns die Straffung der Geldpolitik Sorgen bereiten?1)
Für sehr viel größere Verwerfungen sorgte 2018 die US-Außenpolitik. Ungeachtet der Gefahr höherer Kosten für US-amerikanische Verbraucher und Unternehmen verschärfte die Regierung in Washington den Handelsstreit. Es scheint unter der Wählerschaft in den USA – und infolgedessen auch bei Republikanern und Demokraten – erhebliches politisches Interesse zu bestehen, die US-Handelsbeziehungen einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, wobei sich das Hauptaugenmerk auf China richtet.
Diese aggressive Handelspolitik hat die chinesische Wirtschaft zu einem Zeitpunkt getroffen, als das Wachstum aufgrund einer restriktiveren Geld- und Finanzpolitik bereits rückläufig war. Die Schwellenländer hatten somit gleich doppeltes Pech und mussten sowohl ein langsameres Wachstum in China als auch steigende Kreditkosten aufgrund der höheren US-Zinsen und des festen US-Dollars wegstecken. Aktien und Schuldtitel aus Schwellenländern wurden 2018 hierdurch stark in Mitleidenschaft gezogen.
Europa ist ins Kreuzfeuer geraten. Anfängliche Spannungen zwischen den USA und der EU über Importzölle auf Automobile wurden zwar zunächst beigelegt, die Nachfrage in Europa bekommt seitdem den Abschwung des weltweiten Handels jedoch schmerzhaft zu spüren. Das starke Wachstum der US-Wirtschaft wirkte sich somit nicht – wie es in der Vergangenheit öfters der Fall war – positiv auf andere Regionen aus. Die US-Wirtschaft, der Aktienmarkt des Landes und der US-Dollar haben sich in einem ansonsten trostlosen Jahr als relative Lichtblicke erwiesen (siehe Abbildung 1).
Der fiskalpolitische Zuckerrausch in den USA wird abklingen
Wir glauben nicht, dass sich die deutlich überdurchschnittliche Entwicklung der US-Wirtschaft 2019 fortsetzen wird. Die fiskalpolitischen Anreizmaßnahmen, die 2018 für einen heftigen Zuckerrausch gesorgt haben, werden in den kommenden Quartalen voraussichtlich abklingen. Damit dürfte sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA bis Ende 2019 auf weniger als 2 % abschwächen (siehe Abbildung 2).
Die Steuersenkungen hätten im Fall erhöhter Unternehmensinvestitionen nachhaltigere Auswirkungen haben können. Angesichts der geopolitischen Unsicherheit stellen Unternehmen ihre Investitionen jedoch zurück. Die Auswirkungen haben sich besonders stark in Europa und Asien bemerkbar gemacht, es gibt jedoch zunehmende Anzeichen dafür, dass die geplanten Investitionen auch in den USA selbst zurückgehen (siehe Abbildung 3). Dies ist besonders enttäuschend, denn was die Weltwirtschaft gerade jetzt dringend benötigt, sind höhere Investitionen, um das potenzielle Wachstum wiederzubeleben, die Produktivität und die Reallöhne zu steigern und dadurch wiederum viele politische Herausforderungen zu meistern.
Einen potenziellen Trost für die Märkte könnte womöglich die Fed liefern. Der jüngste Rückgang des Ölpreises und die während des Jahres 2018 verzeichnete Stärke des US-Dollars dürften zur Folge haben, dass sich die Gesamtinflation in der Nähe ihres Ziels von 2 % bewegt. Wir gehen davon aus, dass sich der Leitzins bis Mitte des Jahres auf die Marke von 3 % zubewegen dürfte. Allerdings vermuten wir, dass die Fed in den kommenden Monaten deutlich zögerlicher vorgehen wird. Ihre Entscheidungen werden stärker von der Entwicklung der Konjunkturdaten abhängig werden.
1 Was bewegt die Anleger? - Sollte uns die Straffung der Geldpolitik Sorgen bereiten? Vincent Juvyns, J.P. Morgan Asset Management, November 2018.
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