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Gerd Kommer und Maximilian Bartosch analysieren Wertsteigerungen von Wohnimmobilien – mehr Traum als Wirklichkeit

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Nachfolgend stellen wir die soeben zusammengefassten historischen Daten in einen erläuternden Kontext, indem wir 14 Fragen rund um die Themen „langfristige Wertsteigerungen von Wohnimmobilien" und „strukturelle Einflussfaktoren auf Wohnimmobilienpreise" in knapper Form adressieren.

1. Sind die hier gezeigten Indexdaten verlässlich?

Die in der Tabelle ausgewiesenen Zahlen dürften die tatsächlichen Wertsteigerungen von Wohnimmobilien sogar noch um etwa einem halben Prozentpunkt per annum nach oben verzerren, weil Qualitätsverbesserungen und Wohnflächenwachstum in den Objekten, die den Indizes zugrunde liegen, im Zeitablauf nicht vollständig herausgefiltert wurden.

2. Sind Wertsteigerungen in Großstädten systematisch höher als Wertsteigerungen auf dem Land?

Nein. Das glauben viele, lässt sich aber durch Langfristdaten nicht belegen. Wertsteigerungen in Großstädten sind in manchen Jahrfünften oder Jahrzehnten in einem gegebenen Land oder einer Region höher als auf dem Land – wie beispielsweise in der soeben abgelaufenen Dekade in Deutschland. Sie sind aber ebenso oft auch niedriger. Dass Immobilienpreise in Großstädten stets merklich höher sind als auf dem Land, bedeutet nicht, dass sie grundsätzlich schneller steigen.

3. Ist Urbanisierung (größeres Bevölkerungswachstum in großen Städten als auf dem Land) der Normalzustand?

Nein, in den entwickelten Ländern nimmt die Verstädterung sehr langfristig ab. So ist zum Beispiel der Anteil der Bevölkerung, der in großen Metropolen lebt, in den meisten entwickelten Staaten heute niedriger als vor 50 oder 100 Jahren. Lediglich in Entwicklungsländern ist ein dauerhafter Urbanisierungstrend zu beobachten – bis diese Länder eine gewissen Wohlstandsschwelle erreicht haben. Dann endet der strukturelle Urbanisierungstrend auch dort.

4. Sind Wertsteigerungen hochwertiger Immobilien systematisch höher als die Wertsteigerungen einfacher, geringwertiger Immobilien?

Nein, wenn überhaupt, ist eher das Gegenteil der Fall. Wer diesem Irrtum anhängt, verwechselt teuer mit rentabel.

5. Werden die allgemeinen Aussagen in diesem Artikel dadurch relativiert, dass jede Immobilie ein Einzelfall ist?

Nein. Für jede Immobilie, die sich besser entwickelte als die hier dargestellten Mittelwerte, existiert eine andere, die noch schlechter abschnitt. Die allermeisten einzelnen Objekte bewegen sich preismäßig sehr ähnlich wie der Markt. Weniger als zwei Prozent aller Objekte sind echte Unikate, die sie sich über ein Jahrzehnt oder länger komplett von Markttrends positiv abkoppeln können.

6. Ist es möglich als Investor, systematisch (also zuverlässig) attraktive Immobilien herauszupicken und unattraktive Immobilien zu vermeiden?

Möglich ja, aber nicht wahrscheinlich. Profis scheinen es jedenfalls nicht systematisch zu können. Man betrachte beispielhaft die schlechte Entwicklung der Aktienkurse der namhaften börsennotierten Immobilienunternehmen in Deutschland in den letzten fünf Jahren (Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, TAG, Adler und andere). Und zu glauben, dass die Durchführung eines profitablen Immobilienprojektes während der letzten 15 Jahre in Deutschland ein hinreichender Beweis für Kompetenz und Können sei, zeugt selbst nicht eben von kognitiver Kompetenz. In diesen 15 Jahren konnte so gut wie jeder in Deutschland mit Immobilien gut verdienen. Können war dafür keine notwendige Voraussetzung. Genauso wenig wie man Können brauchte, um von 1995 bis 1999 sein Geld mit Aktien zu verdreifachen.

7. Sind Wertsteigerungsdaten, die weiter als beispielsweise 25 Jahre zurückreichen, für die heutige Zeit und für die Zukunft überhaupt relevant?

Ja, das sind sie. Sich nur Daten aus – sagen wir – den letzten 20 Jahren anzusehen wäre dumm. In den unmittelbar zurückliegenden zwei Jahrzehnten bestanden für Immobilien in den meisten westlichen Ländern außerordentlich günstige, quasi unnormale makroökonomische Bedingungen. Der bis Ende 2021 anhaltende Zinsrückgang hatte in ähnlich starker und zeitlich ausgedehnter Form in den letzten 100 Jahren niemals zuvor stattgefunden.

Lediglich die Hauspreisdaten vor etwa 1970 könnten heute unter Umständen nicht mehr repräsentativ sein. Vor Ende der 1960er Jahre waren die langfristigen Preissteigerungen von Wohnimmobilien in allen Ländern, für die Daten vorliegen, weit niedriger als von 1970 bis zur Gegenwart. Der Grund für die Erhöhung der Preissteigerungsraten ab Anfang der 1970er Jahre war die Entstehung der globalen Ökologiebewegung zu dieser Zeit. Sie führte zu einer strukturellen Verknappung von Baugenehmigungen und damit zu einem wichtigen preistreibenden Effekt, den es vorher nicht gegeben hatte.

8. Warum hatte Deutschland in den 53 Jahren seit 1970 niedrigere Preissteigerungen bei Wohnimmobilien als die 12 anderen in der Tabelle berücksichtigten Länder?

Die vier wichtigsten Faktoren dürften sein:

  • Der weltweit fast einzigartig hohe Grad des Mieterschutzes in Deutschland.
  • Die in Deutschland beispiellos strikten staatlichen Bauvorschriften in Bezug auf Energetik, Brandschutz, Barrierefreiheit und Umweltschutz. Sie führen in Summe zu besonders teurem Bauen.
  • Der im Vergleich zu vielen anderen Ländern umfangreichere und qualitativ hochwertigere soziale Wohnungsbau durch den Staat oder durch Private mit staatlichen Subventionen.
  • Der noch bis in die Nuller Jahre bestehende öffentliche Konsens in Deutschland, die gesetzliche Rente sei als Altersvorsorge hinreichend. Eine solche Auffassung hat es in kaum einem anderen Land gegeben.